Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Robi war auf der Brücke zurückgeblieben.
    Brand und Melissa standen sich in drei Meter Abstand gegenüber, ohne zu grüßen oder auch nur zu lächeln.
    »Brand«, sagte Melissa endlich. Sie musterte ihn aus eisigblauen Augen. Ihr Gesicht war kühl und gefaßt, und die Stimme war so heiser wie nie zuvor. »Du… was hast du vor? Wir sind doch keine… keine Finsterlinge. Warum fängst du uns?« Sie sprach stotternd und schwerfällig.
    »Hast du zu reden verlernt, Melissa?« sagte Brand, während hinter ihm die Tür zur Brücke aufglitt und der Engel herausflatterte.
    »Oh«, sagte sie zu Melissa. »Du bist hübsch.«.

    Melissa bedachte sie nur mit einem kurzen Blick und wandte sich dann wieder Brand zu. »Ja, manches verlernt. Zehn Jahre, Brand. Mit den Sternen, den Sternen. Nicht… ich bin kein Mensch mehr. Ich bin älter geworden, alt für einen Unzertrennlichen. Mein… mein Ruf kommt bald.« Sie stockte. »Warum hast du uns gefangen?«
    »Das ist eine neue Art Schirm, Melissa«, sagte Brand lächelnd. »Ist es dir nicht aufgefallen? Der Schirm ist dunkel. Eine neue Entwicklung von der Erde. An der Schirmforschung wurde einiges getan, und ich habe mich laufend informiert. Mein Plan, der mich schon seit langem beschäftigt, scheiterte bisher nur an den untauglichen Schirmen. Was mir jetzt zur Verfügung steht, stellt eine beträchtliche Verbesserung dar. Und ich bin der erste, der die Konsequenzen dieser Verbesserung durchschaut.«
    »Verbesserung. Konsequenzen.« Aus Melissas Mund klangen die Worte seltsam, fremd. Sie sah ihn verständnislos an.
    »Wir werden gemeinsam zu den Sternen fliegen, Melissa.«
    »Brand«, sagte sie. Einen Augenblick lang schien ihre Stimme ein fast menschliches Zittern angenommen zu haben. »Gib’s auf, Brand. Laß ab… von mir. Und den Sternen. Das sind… alte Träume, sie haben dich versauern lassen. Kannst du es nicht einsehen?«
    Der Engel schwebte im Korridor auf und ab. Sie wagte sich immer näher an Melissa heran, offensichtlich fasziniert und zugleich
    befremdet von diesem
    unzertrennlichen Wesen.
    Brand ignorierte den Engel und sah Melissa an, dieses entrückte, matte Ebenbild des Mädchens, das er einst geliebt hatte. Aber er unterdrückte den sentimentalen Gedanken. Sie war eine Unzertrennliche, und er würde durch sie die Sterne erreichen.
    »Du kannst mich zu den Sternen bringen, Melissa, und nach mir auch andere. Es ist an der Zeit, daß ihr Unzertrennlichen mit uns armen Menschen das Universum teilt.«
    »Uns als Antrieb benutzen?« fragte sie.
    »Du könntest…«
    Der Engel unterbrach ihn: »Oh, laß mich mit ihr reden.
    Ich will es ihr erklären. Ich weiß wie. Du hast es mir ja gesagt. Ich erinnere mich. Laß mich mit ihr reden.« Sie hatte ihre wilden Kreisflüge eingestellt und schwebte zwischen den beiden.
    Brand grinste. »Na schön. Sag’s ihr.«
    Der Engel drehte sich lächelnd um die eigene Achse.
    Mit aufgeregten Flügelschlägen schien sie ihre Worte betonen zu wollen. »Es ist so wie mit Pferden«, erklärte sie. »Die Finsterlinge sind wie Pferde. Das hat Brand mir erzählt. Und die Unzertrennlichen sind wie Pferde mit Reitern. Aber Brand hat den Triumphwagen, und die Unzertrennlichen werden ihn ziehen.« Sie kicherte.
    »Brand hat mir ein Bild von einem Triumpwagen gezeigt. Auch von einem Pferd.«
    »Mit einem Triumphwagen zu den Sternen«, sagte Brand. »Ich mag dieses Bild. Oh, ich weiß, es scheint einem Zeichentrickfilm entliehen zu sein, aber die Berechnungen stimmen. Du kannst Materie transportieren. Ein paar von deiner Art, eingeschlossen unter einem dunklen Schirm, reichen aus, um das ganze Schiff zu bewegen.«
    Melissa starrte ihn an, wich zurück und schüttelte langsam den Kopf. Ihr silbernes Haar schimmerte.

    »Sterne«, sagte sie matt. »Brand. Der Mittelpunkt… die Gesänge. Freiheit, Brand. Wovon wir geträumt haben.
    Brand, sie würden nie… es geht nicht… das dürfen wir nicht… man kann uns nicht einsperren.«
    »Das habe ich aber getan.«
    Der Engel flog an Melissas Seite, ermutigt durch ihr plötzliches Schweigen. In einer kindisch schüchternen Geste streckte sie die Hand nach ihr aus und stellte überrascht fest, daß das Phantom aus festem Stoff bestand. Melissa legte einen Arm um sie, ohne die Augen von Brand abzuwenden. Der Engel lächelte, seufzte und schmiegte sich an sie.
    Brand schüttelte den Kopf.
    Plötzlich blickte der Engel mit gereizter Miene auf.
    »Das ist kein Pferd, sondern eine Person.« Dann lächelte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher