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Im Haus des Wurms

Im Haus des Wurms

Titel: Im Haus des Wurms
Autoren: George R. R. Martin
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sehr gegenwärtig; diese harte, schnarrende Stimme, die seit dem Abflug von der Erde nichts als Befehle erteilt hatte.

    Brand, Melissa und Canada, die drei Kandidaten, waren ihrem Traum treu geblieben und nach bestandener Prüfung ausgewählt worden. Mit ihren zwanzig Jahren hatten sie das optimale Alter für eine erfolgversprechende Fusion; das jedenfalls behaupteten einige Experten. Adams war bei seiner Fusion, der ersten überhaupt, fast dreißig gewesen.
    Brand erinnerte sich an Melissa, schlank und frisch in dem weißen Overall, dessen Reißverschluß nicht ganz geschlossen war. Zwischen ihren sonnengebräunten Brüsten hing der Kristananhänger, von der künstlichen Schwerkraft der rotierenden Station angezogen. Das rotblonde Haar, ihr ganzer Stolz, war zu einem Knoten zusammengefaßt. Sie hatte es für ihr Leben zwischen den Sternen lang wachsen lassen.
    Sie küßten sich, bevor sie ihre Helme aufsetzten.
    »Ich liebe dich«, sagte sie, »für immer.« Und er antwortete mit denselben Worten.
    Dann gingen sie gemeinsam mit Canada und dem Regierungsbeamten nach draußen, über die Außenhaut von Changling Station bis an den Rand der Arena, dem inneren Freiraum des Reifens, der energiegeladenen, abgeschirmten Mitte der Anlage, dem Ort, wo Träume wahr werden.
    Brand, der junge Brand, blickte in den Abgrund und lächelte. Dort unten waren nichts als Sterne. Ein Sprung würde endgültig sein, aber das schreckte ihn nicht zurück.
    »Du zuerst«, sagte der Regierungsbeamte zu Melissa.
    Sie warf Brand einen letzten Kuß zu und machte sich auf in die Arena.
    Weit kam sie nicht. Drei Finsterlinge waren unter dem Energiezelt eingeschlossen. Kaum hatte Melissa den Schutzschirm passiert, kam ein Finsterling auf sie zu. Der Anblick prägte sich tief in Brands Gedächtnis ein. Er sah Melissa, wie sie quer über die Arena davonglitt. Und dann der Blitz.
    Ein plötzliches, grelles Aufblitzen, und schon war alles vorbei. Der Vorgang dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber in seiner Erinnerung, in seinen Träumen zog er sich in die Länge. Zunächst flackerte Melissas Raumanzug auf und war verschwunden, dann warf sie in einem stummen Schrei den Kopf zurück, die Kleider verbrannten auf ihrem Körper, und schließlich löste sich auch die Kette mit dem Kristall in gleißendes Licht auf.
    Nackt, von einem Feuerkranz umgeben, trudelte sie durch das All. Sie atmete nicht mehr.
    Aber sie lebte.
    Eine Symbiose von Mensch und Finsterling, ein Ding aus Materie und Energie, ein Alien, ein neugeborenes Wesen mit dem Verstand eines Menschen und der Geschwindigkeit eines Finsterlings. Melissa gab es nicht mehr.
    Er brannte darauf, zu ihr zu kommen. Lächelnd lockte sie ihn. Ein Finsterling war auch für ihn da. Brand würde in ihn hineintauchen, fusionieren, um mit Melissa zu den Sternen zu fliegen, schneller als jedes Raumschiff, schneller als Licht. Die Galaxis gehörte ihnen. Vielleicht sogar das Universum.
    Aber der Regierungsbeamte hielt ihn zurück. »Sie ist als nächste dran«, sagte er. Die dralle Canada sprang ohne zu zögern los. Sie kannte natürlich die Risiken, aber sie war eine Träumerin, so wie alle anderen, die sich bewarben. Brand hatte während der gemeinsamen Tests und der Reise ihren grenzenlosen Optimismus kennengelernt.

    Sie trieb auf Melissa zu und streckte ihre Hand aus.
    Das Sprechfunkgerät war eingeschaltet. »Hey«, sagte sie, wie sich Brand erinnern konnte. »Meiner ist langsam.
    Stellt euch vor, ein langsamer Finsterling!« Sie lachte.
    »Hey, mein kleiner Finsterling, wo bist du? Komm zu Mama. Komm und laß mich eintauchen, du kleiner…«
    Dann: ein kurzer, schriller Schrei.
    Und Canada explodierte.
    Zunächst flammte natürlich ein Blitz auf. Aber aus ihm kam kein Unzertrennlicher hervor. Canada war zurückgewiesen worden. Drei Viertel aller Kandidaten wurden abgelehnt und verzehrt. Normalerweise verschwanden in solchen Fällen die Unglücklichen mit einem Schlag.
    Aber dieser Finsterling hatte bloß den Oberkörper Canadas abgetrennt. Die Beine rotierten nach der Explosion wie ein Propeller durch den Raum. Das Blut gefror.
    All dies dauerte nur eine Sekunde, weniger als ein Herzschlag, eine Pause zwischen zwei Atemzügen. Dann wieder ein Blitz. Und Leere. Nur noch Melissa, wartend, das Lächeln vom Gesicht verschwunden.
    »Pech«, hatte der Regierungsbeamte gesagt. »Dabei waren ihre Testergebnisse nicht schlecht. Jetzt bist du an der Reihe.«
    Brand blickte hinüber zu Melissa und den
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