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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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Geheimnis seiner Vergangenheit verraten wollte. Damit wäre er nicht mehr stark gewesen, hätte keine Macht mehr über seine Kinder gehabt, die sogar als Studenten noch Angst vor ihm hatten.
    Â»Hat er deinem Opa auch gedroht, sich umzubringen?«, fragte sie leise.
    Â»Genau. Es gäbe keinen Ausweg mehr, sagte er. Mein Opa fand das ziemlich theatralisch, er hatte ja selbst etwas getrunken, und er hat Bruno sitzen lassen und ist nach Hause gegangen. Am übernächsten Tag hat er erfahren, dass Bruno einen tödlichen Unfall hatte. Er machte sich schreckliche Vorwürfe und gab sich die Schuld daran. Das Ganze regte ihn so auf, dass er einen Schlaganfall erlitt. Elf Jahre hat er danach noch vor sich hin vegetiert. Ich habe gemerkt, dass ihn etwas bedrückte, aber er wollte es mir nicht sagen, so sehr schämte er sich. Erst auf dem Totenbett hat er mich eingeweiht und mich gebeten, seine Schuld wiedergutzumachen. Zuerst wusste ich nicht, wie ich das bewerkstelligen könnte, aber dann hörte ich von der bevorstehenden Eröffnung deiner Galerie. Und dann verliebten wir uns ineinander, und ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen.«
    Â»Deshalb hast du ständig den Grund für den Unfall meines Vaters erfahren wollen.« Erleichtert drückte Ebba ihm die Hand. »Jetzt wird mir alles klar.«
    Und noch etwas anderes wurde ihr in diesem Augenblick bewusst. »Es war alles eine unglückliche Verkettung von Umständen, Jörg, niemand trägt die alleinige Schuld. Weder dein Großvater noch …« Sie sprach nicht weiter. Irgendwann würde sie ihm alles erzählen. Irgendwann, aber nicht jetzt.
    Wäre der Streit mit Jörgs Großvater nicht vorausgegangen, wäre ihr Auftritt womöglich wirkungslos verpufft, und ihr Vater hätte sich nicht ins Auto gesetzt. Diese Erkenntnis war wie eine Erlösung.
    Â»Und wie laufen die Geschäfte?«, unterbrach Jörg jetzt ihre Gedanken.
    Â»Sieh selbst. Ein Fünftel ist bereits nach einer Stunde verkauft. Das ist unglaublich. Ich vermute, dass ich die Kollegen enttäuschen muss, die sich bereiterklärt haben, den Rest in Kommission zu nehmen. Es wird nichts übrig bleiben.«
    Â»Macht es dir etwas aus, wenn ich behaupte, dass dein Vater tatsächlich großartig gemalt hat? Abgesehen natürlich von dem unsichtbaren Untergrund.«
    Â»Nein, nein, das sehe ich jetzt ganz genau so.«
    Â»Keine Angst mehr?«
    Â»Nichts. Nach dem, was ich durchgemacht habe, werde ich wahrscheinlich nie mehr im Leben vor irgendetwas Angst haben. Nichts wird je schlimmer sein können als die Tage im Februar.«
    Jörg musterte sie kritisch und strich ihr reflexartig über die Haare. »Und deine Lippen?«
    Ebba fuhr mit der Zunge über die ehemaligen Einstichstellen. Sie waren gut verheilt.
    Â»Ich war ja betäubt, als er … Und als ich wach wurde, war ich wie neben der Spur, habe nichts gespürt und mich nicht rühren können. Ein Teufelszeug, was er mir gegeben hat. Ich kann mich heute an fast gar nichts erinnern, nur dass ich mit einem Mal alles so merkwürdig lustig gefunden habe.«
    Â»Klassische Wirkung von K.-o.-Tropfen, sagt Frau Wieland. Wo ist sie überhaupt?«
    Â»Da vorn, an der Tür, bei Michael Maurer und der kleinen Gruppe.«
    Â»Eine gute Polizistin.«
    Â»Dank dir!«
    Â»Ach was.«
    Â»Wenn du nicht so hartnäckig gewesen wärst …«
    Â»Ich hatte eigentlich befürchtet, du würdest mir wieder eins auf die Nase hauen, weil ich mich nicht an deine Anweisung gehalten habe.«
    Sie gab ihm einen Knuff in die Hüfte. »Stell mich nicht als Schlägerin hin.«
    Â»Hab ich dir eigentlich schon gesagt, dass du mit dunklen Haaren umwerfend aussiehst?«
    Sie lachte. »Hundertmal. Das bleibt nicht auf Dauer so, da kannst du mir noch viele Komplimente machen.«
    Â»Ich hätte dich damals fast nicht erkannt.«
    Â»Ich weiß. Ich hatte die Hoffnung auch schon aufgegeben. Es war schrecklich, sich nicht bemerkbar machen zu können. Einfach schrecklich.« Sie schloss die Augen und atmete gleichmäßig, um die Panik erst gar nicht hochkommen zu lassen. Es wirkte, genau wie der Therapeut es ihr gezeigt hatte, bei dem sie seit zwei Monaten in Behandlung war.
    Jörg nahm ihren Arm. »Alles klar?«
    Sie nickte. Es ging schon viel besser, aber sie war dankbar für seinen Griff. Und nicht nur das, wurde ihr in diesem
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