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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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die Ansammlung von begeisterten Kunstfreunden und Kollegen schweifen. Dann schaute sie auf die großformatigen Bilder, die dicht an dicht hingen und trotzdem jedes für sich wirkten. Sie hatten alles Bedrohliche verloren, sie schrien und fauchten nicht mehr, es gab keine Geheimnisse hinter den Farbschichten. Es waren einfach nur neutrale, meisterhafte Gemälde.
    Eine Sensation in der Kunstwelt. Vierundzwanzig echte Seidels auf engem Raum. Mehrere überregionale Tageszeitungen hatten im Vorfeld darüber berichtet, zwei Kunstmagazine hatten auf die Vernissage aufmerksam gemacht und Reporter zur Eröffnung geschickt. Kaum einer der geladenen Gäste hatte abgesagt, niemand wollte sich das Ereignis entgehen lassen, fünf Exponate trugen bereits den berühmten roten Punkt, und es würden im Laufe des Abends sicherlich noch einige dazukommen.
    Â»Krüppelkiefer im Sturm« war das erste Bild gewesen, das einen neuen Besitzer gefunden hatte. Ausgerechnet der Kölner Kunstsammler Kaufmann war zwei Stunden vor Eröffnungsbeginn hereingeschneit und schnurstracks auf dieses Werk zugesteuert.
    Â»Ich habe es im Vorbeigehen gesehen. Ich muss das Bild haben, unbedingt«, bestürmte er Ebba und beäugte die Leinwand von Nahem. »Es kommt direkt neben den Nolde. Ein wunderbarer Kontrast, und doch sind sich die beiden Künstler sehr ähnlich, finden Sie nicht auch?«
    Ebba drückte ihm die Preisliste in die Hand und signalisierte, dass sie nicht feilschen würde. Der Preis war hoch, höher als noch bei der Eröffnung der Galerie, bei der dieses Bild ebenfalls ausgestellt war, aber keinen Käufer gefunden hatte.
    Es waren pure Fantasieforderungen, aber sie würden erfüllt werden. Die Liebhaber erwarben damit nicht nur ein wertvolles Kunstwerk, sondern spendeten auch für einen guten Zweck, denn der Erlös dieser Aktion würde samt und sonders in eine Stiftung fließen, die sich um Kinder in seelischer Not kümmern sollte.
    Ebba hatte lange mit Jörg darüber diskutiert.
    Â»Ich habe genug Geld«, hatte sie gesagt. »Ich möchte die Bilder meines Vaters in etwas Gutes verwandeln, etwas, das sowohl uns Seidelkindern als auch Thomas geholfen hätte, wenn es diese Einrichtung früher gegeben hätte.«
    An diesem Entschluss hatte sich bis heute nichts geändert, und der Erfolg gab ihr recht. Erste Spenden waren bereits Tage vor der Ausstellung auf das Stiftungskonto geflossen.
    Ebba trank noch einen Schluck und sah sich nach Kaufmann um, der stolz vor »seinem« Werk stand und es den Umstehenden erläuterte. Bruno Seidels Stil erinnerte tatsächlich entfernt an Emil Nolde, aber auch an den unvergleichlichen Vincent van Gogh, besonders beim Werk gegenüber der »Krüppelkiefer«. Dieses Bild, in das man durchaus ein Feld voller Sonnenblumen interpretieren konnte, hatte sie »Sonne« genannt. Es trug ebenfalls einen roten Punkt.
    Jörg stellte sich neben sie und berührte sacht ihren Arm. »Nicht zu viele Menschen für dich?«
    Zu viele Menschen? Überrascht horchte sie in sich hinein. Da war nichts mehr. Kein Brummen, keine Beklemmung, kein Fluchtgedanke, nicht der leiseste Ansatz einer Panik, nichts, was ihr früher die Luft abgeschnürt hatte.
    Â»Alles okay«, sagte sie langsam, aber das traf es gar nicht. Es war nicht okay, es war wunderbar: Sie war frei! Endlich.
    Die Vergangenheit war besiegt. Auch dank Jörg. Er war untröstlich gewesen, dass er der Auslöser für ihre Qualen gewesen war.
    Â»Wenn ich dir von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte, wärst du nie in seine Hände geraten«, hatte er an ihrem Bett im Krankenhaus gestöhnt, in dem sie sich ein paar Tage hatte erholen dürfen. »Es war alles nur ein Missverständnis. Mein Opa hatte an jenem Tag einen heftigen Streit mit Bruno gehabt. Lisa war gerade geboren worden, und die beiden Männer feierten das Ereignis, bis Bruno ausfällig wurde und begann, auf Familie und Kinder zu schimpfen, die einem nichts als Scherereien einbrachten und einem wie ein Klotz am Bein hingen. Opa Anton hatte daraufhin die Beherrschung verloren und Bruno schreckliche Dinge aus dessen Jugend und den Kriegsjahren an den Kopf geworfen. Er hat gedroht, euch die Wahrheit über Brunos Vergangenheit zu erzählen.«
    Â»Das mit dem Offizier auf dem Foto?« Ebba konnte sich gut vorstellen, wie es Bruno aus der Bahn geworfen hatte, dass jemand das
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