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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld
Autoren: Rita Hampp
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gut.
    Â»Thomas!«, rief sie leise und wunderte sich, dass ihre Zunge ihr nicht ganz gehorchte. Dafür schwappte Euphorie in ihr hoch. »Ich schenke dir das Bild. Wir vergessen das hier alles. Lass mich raus. Du darfst dir eines aussuchen.«
    Ein ungewolltes Kichern quoll aus ihr heraus, sie konnte nicht mehr aufhören zu lachen, weil die Situation ihr plötzlich urkomisch vorkam.
    Er sah ausdruckslos zur Uhr, drückte sich ein neues Tuch an die Nase und beobachtete Ebba, als warte er auf etwas.
    Â»Nun mach schon« murmelte er. »Die kommen bestimmt mit einem Durchsuchungsbeschluss zurück. Wir haben nicht viel Zeit. Ich will dich nicht töten, noch nicht, nicht so schnell. Ich habe etwas anderes mit dir vor. Niemand wird dich erkennen, selbst wenn sie dich finden sollten. Und wenn sie wieder fort sind, gehörst du mir. Für lange Zeit.«
    Was erzählte er denn für einen Blödsinn? Wieder musste sie lachen, doch da wurde ihr schwindelig, alles drehte sich, immer schneller, dann wurde ihr Kopf leer, das Drehen hörte auf, und sie versank in ihrer eigenen Dunkelheit.
    Schwarz. Alles schwarz.
    Wo war sie? Warum hatte sie so brüllende Kopfschmerzen? Warum konnte sie sich nicht rühren? Warum war hier alles schwarz? So schwarz konnte nichts sein. Was war das für ein poröser Stoff, auf dem sie lag? Darunter schienen sich Tausende Kügelchen zu befinden. Warum roch hier alles nach Holz?
    Wie war sie hierhergekommen? Sie konnte sich an nichts erinnern.
    War sie blind? Taub? Gelähmt? Sie sah nichts, hörte nichts, konnte sich nicht bewegen.
    Sie wollte es auch gar nicht, und das machte ihr am meisten Angst.
    Undefinierbares, nicht greifbares Grauen brodelte in ihr, bereit, sie zu verschlingen, ihr den Verstand zu rauben, aber was immer er ihr gegeben hatte – es dämpfte ihre Furcht. Unfähig zu reagieren, etwas zu spüren, zu verstehen, geschweige denn, sich dagegen zu wehren, lag sie in ihrem engen, dumpfen, einsamen Gefängnis, und war der endgültigen, kalten Schwärze ausgeliefert, die sie in unerträglicher Weise umgab. Unentrinnbar.
    Es war aus. Sie würde sterben, und sie war bereit dazu.
    Hell, gleißend hell. Wo war sie? Instinktiv wusste sie, dass ihr Gefahr drohte. Was tat Thomas da? Um Gottes willen, er hatte eine lange, gebogene Nadel in der Hand! Seine Finger berührten ihren Mund. Sie spürte nichts. Gar nichts. Sie konnte den Blick nicht von seinen Augen wenden, die so konzentriert und kalt waren. Er stieß die Nadel in ihre Unterlippe, aber sie fühlte nichts. Die Welt stand still, dann wurde es dunkel, als habe jemand das Licht ausgeknipst.
    Schwarz. Alles schwarz.
    Angst. Grauenhafte Angst, die an jedem Ende jedes einzelnen Nervs nagte, die ihr die Eingeweide umdrehte, sie nur noch oberflächlich hecheln ließ. Noch grauenhafter war, dass sie nicht wusste, warum sie Angst hatte. Beziehungsweise wovor.
    Warum konnte sie sich nicht bewegen?
    Schemenhaft tauchte ein Gedanke in ihr auf. Thomas? War Thomas hier? Warum Thomas?
    Was geschah hier? Sie war außerstande, klar zu denken. Ihr fiel nicht ein, welcher Tag heute war. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war und warum es hier so dunkel und eng und dumpf war. Sie konnte ihren Mund nicht öffnen. Ihre Lippen brannten wie Feuer. Hilfe, Hilfe! Ihr war schwindelig.
    Was war nur geschehen? Sie konnte sich an nichts erinnern.
    Warm. Alles warm.
    Dämmerlicht. Sie lag in einem Bett, oder was war das?
    Irgendwo polterte es, als würde eine Kompanie Soldaten in schweren Stiefeln vorbeimarschieren. Der Raum, in dem sie sich befand, war winzig. Ein Kreuz hing an der Wand. Sie spürte das Kissen, auf dem ihr Kopf lag, den sie nicht bewegen konnte, ohne sich die Luft abzuschnüren. Hatte ihr jemand den Kopf fixiert? Und die Kehle noch dazu? Beine, Arme – nichts konnte sie bewegen, wohl aber ihre Zehen und ihre Finger unter der Decke. Sie war also nicht gelähmt. Aber es war so anstrengend.
    Wo war sie nur?
    Jetzt fiel ihr etwas ein.
    Sogleich kroch unaussprechlicher Schrecken in ihr hoch. Sie träumte doch nur. Anders konnte es nicht sein. Kein Mensch erlebte seine eigene Beerdigung. Der Traum war so real gewesen! Sie erinnerte sich an jede Einzelheit, an den Sarg, die Harmoniumklänge …
    Sie war nicht tot. Sie lag hier, unter einer leichten Decke, die sich aber kaum unter ihren Atemzügen hob und senkte. Auch war sie nicht fähig, ihre Finger zu
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