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Im Dienst ihrer Majestat

Titel: Im Dienst ihrer Majestat
Autoren: Ian Fleming
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hinaufstieg, warf er schnell einen Blick auf die Aufschrift: »M. Draco. Elektrogeräte. Marseille.« Die Nummer auf dem Schild lautete: 397694. Ein weiteres Rätsel!
    Im Inneren des Lastwagens war es Gott sei Dank warm. Zwischen aufgestapelten Kisten mit den Aufdrucken bekannter Fernsehgeräte-Firmen war ein schmaler Gang. Sollte das eine Tarnung sein?
    An beiden Seiten des Ganges waren Kabinentüren. Tracy blieb vor einer stehen. Sie gab Bond seine Jacke zurück, sagte tonlos »Danke schön!«, und ehe sie in der Kabine verschwand, konnte er einen Blick auf die luxuriöse Einrichtung erhaschen. Langsam zog er die Jacke an. Der Mann mit der Pistole, der hinter ihm ging, sagte ungeduldig: »Allez!« und drängte ihn zur nächsten Aluminiumtür dieses merkwürdigen Fahrzeuges. Hinter dieser Tür mußte die Antwort sein. Wahrscheinlich war es ein Mann - der Anführer. Das konnte seine Chance sein!
    Bond umklammerte mit der rechten Hand sein Messer, stieß mit der linken die Tür auf, sprang in den Raum, schlug die Tür hinter sich zu und duckte sich, das Messer wurfbereit.
    Der Wächter hinter ihm versuchte, die Tür einzudrücken, doch Bond stemmte sich mit dem Rücken dagegen. Der Mann, der nur drei Schritte von ihm entfernt hinter einem Schreibtisch saß, rief in einer ihm unbekannten Sprache einen heiter klingenden Befehl. Und sofort hörte der Druck gegen die Tür auf. Der Mann lachte Bond warm und herzlich an. Er stand auf und hob langsam die Hände. »Ich ergebe mich!« sagte er. »Und jetzt bin ich ein noch besseres Ziel für Ihr Messer. Aber töten Sie mich bitte nicht, jedenfalls nicht, bevor wir einen schönen steifen Whisky miteinander getrunken und ein bißchen geplaudert haben. Dann lasse ich Ihnen noch einmal die Wahl. Einverstanden?«
    Bond richtete sich auf und erwiderte das Lächeln. Er konnte nicht anders. Der Mann war ihm sympathisch; er hatte ein so humorvolles, verschmitztes Gesicht, daß Bond ihn ebensowenig hätte umbringen können wie Tracy.
    Der Mann trat nun hinter dem Schreibtisch hervor. Er war klein, in mittleren Jahren und hatte ein braunes, verwittertes Gesicht. Er trug einen bequemen Anzug, unter dem sich die kräftigen Muskeln deutlich abzeichneten. Er streckte Bond eine warme, trockene, feste Hand entgegen. »Mein Name ist Marc-Ange Draco. Er ist Ihnen bekannt?«
    »Nein.«
    »Dafür kenne ich Ihren, Commander James Bond. Sie haben einen der höchsten englischen Orden und sind Angehöriger des Secret Service Ihrer Majestät. Sie sind augenblicklich Ihrer normalen Pflichten enthoben und haben einen Sonderauftrag im Ausland. Stimmt doch?«
    Bond versuchte, seine Verblüffung zu verbergen. Woher wußte Draco das alles?
    Draco fuhr fort: »Setzen Sie sich doch. Ich habe viel mit Ihnen zu besprechen. Aber zuerst der Whisky. Okay?«
    Er deutete auf einen bequemen Sessel gegenüber seinem Schreibtisch und stellte eine große silberne Dose mit verschiedenen Zigarettensorten vor Bond hin. Dann trat er zu einem stählernen Aktenschrank an der Wand und öffnete ihn: eine komplette Hausbar, der er zwei Flaschen Whisky, Eiswürfel und einen Siphon entnahm. Während Bond sich einen Bourbon einschenkte, sagte Draco: »Ein guter Freund aus dem Deuxième Bureau in Paris hat mir gesagt, wer Sie sind. Er wird von mir für solche Informationen bezahlt. Sie und ich stehen in verschiedenen Lagern - nicht im feindlichen Sinn. Man könnte sogar sagen, wir berühren uns ein bißchen.« Er unterbrach sich, hob sein Glas und erklärte ernst: »Ich vertraue mich Ihnen jetzt völlig an. Ich gebe mein Leben wieder in Ihre Hand.«
    Beide tranken. Die Augen Dracos bohrten sich förmlich in die Bonds. »Ich bin der Chef der Union Corse!«
    5
    Die Union Corse! Das Dunkel begann sich zu lichten. Bond sah Draco verblüfft an. Hinter dem harmlos klingenden Namen Union Corse verbarg sich eine ältere und tödlichere Organisation als die Mafia. Bond wußte, daß sie die meisten Verbrechersyndikate in Frankreich und in den Kolonien dirigierte. Erst vor ein paar Monaten war ein gewisser Rossi in einer Kneipe in Nizza an der ^eke erschossen worden. Und ein Jahr zuvor hatte man Jean Giudicelli liquidiert. Beide hatten offen Anspruch auf den Platz des Chefs angemeldet - dieses fröhlichen, jovialen Mannes, der ihm jetzt so friedlich gegenübersaß.
    Offensichtlich war der Lastwagen Dracos fahrbares Hauptquartier. Er und Tracy waren aus einem bestimmten Grund, der ihm sicher bald mitgeteilt würde, hierher »eingeladen« worden.
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