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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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Frau an die Tür zu bringen, die sich seit dem Morgen zwischen diesen vier Wänden verkriecht und schluchzt und verstohlene Blicke um sich wirft.
    Â»Für Sie, Signorina. Signorina…«
    Â»Ach, ich habe mich nicht einmal vorgestellt. Mein Name ist Olivia.«
    Â»Nun, Signorina Olivia, es war mir eine große Freude, Sie kennen zu lernen. Es war sehr schön, mit Ihnen zu reden. Kommen Sie mal wieder vorbei.«
    Wir schütteln uns die Hand, und in der Weise, wie er mich anschaut, erkenne ich einen Schatten – den Schatten des erfreuten Lächelns einer Seele, die mir nahe ist.
    Ich nehme den Zettel, und die Vertrautheit macht mich fast verlegen.
    Kommen Sie, wann immer Sie mögen, kommen Sie, wenn sich Ihre Hoffnungen zerschlagen haben, kommen Sie und lassen Sie es sich für ein paar Stunden gutgehen. Kommen Sie, Aschenputtel, wenn Sie Ordnung in Ihre Gedanken bringen müssen. Das hätte er sagen können, und ich hätte es ihm abgenommen.
    Stattdessen halte ich das Blatt in der Hand und stammele: »Danke, Manuel, ich komme nach den Feiertagen wieder. Frohe Weihnachten und … grüßen Sie Ihre Eltern von mir.«
    Ich werde wiederkommen, Manuel, und nachdem ich eingetreten und »das Übliche« bestellt haben werde, werde ich die Treppe zur Empore hochsteigen und mich an meinen Tisch setzen, und du wirst mich wie eine protégée behandeln, mir eine heiße Schokolade mit Sahne für drei Euro fünfzig bringen und ein paar nach Vanille duftende Kekse.
    Ich bin draußen.
    Mir ist alles zu viel: das Tosen des Verkehrs, das Schneeräumfahrzeug, das müde und nutzlos durch den Regen fährt, all diese Gestalten, die im Schutze ihrer Regenschirme durch die Stadt hetzen. Die Glücklichen. Mir fällt der Regen direkt auf den Kopf. Feiner, kompakter, fieser Regen.
    Eine Straßenbahn fährt dicht hinter mir entlang, da ich fast an der Bordsteinkante stehe. Meine Stiefel versinken im Matsch, die Schachtel klemmt in meiner Armbeuge, der Riemen von meiner Handtasche verrutscht. Ich schaue mich noch einmal zu meiner Empore um, die mich anzustarren scheint, als hätte sie mich noch nie gesehen. Ich weiß nicht, wie ich den heutigen Tag ohne diesen Ort überstanden hätte. Wieder packt mich Wehmut.
    Mit der Rechten nehme ich die Polaroid und schieße ein Erinnerungsfoto von der Bar Tabacchi, während ein Strom wild gewordener Autos hinter mir vorbeischießt.
    Blitz. Blitz.
    Dann geschieht alles so schnell, als hätte jemand einen Trailer schlecht geschnitten. Hinter mir erklingt ein wütendes Hupen, und ich merke nicht, dass ein gelber Lieferwagen von DESTINY’S CHILDREN plötzlich ausschert, auf den Bürgersteig brettert, sich querstellt und mich mit einer Mischung aus Wasser und Matsch vollspritzt.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße.
    Das ist das einzige Wort, das mir in den Sinn kommt. Was sind denn das für Sitten! Kurz vor Weihnachten sollte man sich allerdings nicht so aufregen, wer weiß, wie viele Schicksale der arme Fahrer noch ausliefern muss. Meines, das sich ein wenig gebessert hatte, entwickelt sich langsam zur Tragödie. Es ist schweinekalt, der Karton ist vollkommen durchweicht, und überall spüre ich Wasser herabtropfen und auf den Kopf dieser armen Idiotin fallen, die trotz der miesen Wettervorhersage ihren Topfhut nicht aufgesetzt hat. Triefnass und geblendet von den Scheinwerfern des Lieferwagens stehe ich reglos da. Würde es doch nur wieder zu schneien anfangen und die Straßen für den Heimweg in Watte gepackt werden.
    Die Uhr zeigt 17:05 Uhr an. Nirgends ein Taxi zu sehen, klar. Andererseits könnte ich es mir sowieso nicht leisten.
    Gerade erst war Winteranfang, für gewöhnlich der Tag, an dem man irgendwo Zuflucht sucht, weil es der kürzeste des Jahres ist.
    Der Tag, an dem die Wiedergeburt beginnt.
    An einem Dienstag, der anders ist als alle anderen bislang, kehre ich im Regen nach Hause zurück.
    Und träume vom heißen Wasser des letzten Bades, das ich mir als Konsumentin einlassen werde.

Er
    Die Neonröhre wirft einen schmalen Streifen aus blauem Licht auf die Wange des Bettlers. Krumm wie der Stamm eines hundertjährigen Olivenbaums sieht er aus wie ein unförmiger Sack mit einem müden Gesicht. Wegen des Regens sucht er vor einem Schaufenster Schutz, den Kopf zwischen den Schultern, den Kragen hochgeklappt, die Füße in schweren Schuhen, eine Hand in der
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