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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten
Autoren: Fler
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fallen hören können.
    »Ach, kommt schon, lasst mich einfach aus dem Vertrag«, fing ich schließlich das Gespräch an.
    »Meine Karriere geht euch doch sowieso längst am Arsch vorbei. Ihr habt mich bei Südberlin Maskulin einfach komplett im Stich gelassen, und damit habt ihr mich einmal zu oft enttäuscht. Ich will wirklich raus!« Normalerweise hätten sie mich jetzt belächelt, weil sie mir ja bereits bei unserem letzten Treffen unmissverständlich erklärt hatten, dass sie mich nicht gehen lassen würden, aber mit Beko an meiner Seite waren die Karten neu gemischt. Mit Diplomatie und dem nötigen Nachdruck schaffte er es tatsächlich, dass wir zu einer Einigung kamen. Hätte ich allein mit denen an einem Tisch gesessen, wäre ich womöglich doch noch einmal durchgedreht und hätte alles kurz und klein geschlagen. Aber Beko hatte so etwas nicht nötig. Ihn respektierten die Leute, auch ohne dass seine Fäuste zum Einsatz kamen. Am Ende des Gesprächs gaben sich die Aggros geschlagen – waren aber ziemlich eingeschnappt: »Dann geh doch! Ohne uns bist du sowieso nichts!«, meckerten sie wie beleidigte Schuljungen. Aber das hieß: Sie ließen mich gehen! Erleichtert schlug ich meinem Kumpel Beko auf die Schulter. Er hatte mir wirklich den Arsch gerettet!
    Obwohl das Gespräch mit Beko gut war, liefen die Verhandlungen mit den Anwälten von Aggro Berlin sehr schleppend. Jeder wollte natürlich das Beste für sich rausholen. Das stresste mich total. Ich dachte, das Ganze würde sich ewig hinziehen. Aber wieder war es der Bürgermeister von Tempelhof, der mich beruhigte: »Ey, mach dir nicht so viele Sorgen. Gib mir einfach den Auflösungsvertrag, und ich regel das, okay?«
    Und schon am nächsten Tag stattete Beko den Aggros einen erneuten Besuch ab. Ohne mich. Dann passierte ein Wunder: Nach nur wenigen Minuten verließ er den Laden mit einer Unterschrift unter meinem Auflösungsvertrag. Ich hatte mich wochenlang mit denen rumgeärgert, aber für den Bürgermeister war das Ding eine Sache von gerade mal 15 Minuten. Ich war schwer beeindruckt – und Beko sei Dank von nun an ein freier Mann. Ich hatte den Kampf tatsächlich gewonnen!
    Wenige Wochen später schloss das Label seine Pforten für immer. Aggro Berlin war tot.
Wiedersehen mit dem Vater
    Nachdem ich mich von Aggro getrennt hatte, stand ich wieder einmal völlig allein da. Ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, mein Leben komplett aufzuräumen und neu zu ordnen. Und plötzlich dachte ich an das, was mir meine Therapeutin Dr. Uhlmann-Lubich einmal geraten hatte: Es war an der Zeit, meinen leiblichen Vater wiederzutreffen. Schließlich war er seit zwanzig Jahren ein Gespenst in meinem Kopf. Dieses große X. Eine bedrohliche Unbekannte. Und ich hatte nun das Bedürfnis, diesen schwarzen Schatten gegen ein echtes Gesicht auszutauschen. Vielleicht hätte ich dann ja nicht mehr so viel Angst – vor diesem Wiedersehen, vor allen anderen, vor mir selbst. Ich wusste zwar, dass ich ihn wahrscheinlich nicht mehr als meinen Vater würde ansehen können, weil ich ja ganz ohne ihn aufgewachsen war und er meine gesamte Entwicklung verpasst hatte. Aber ich wollte ihn trotzdem kennenlernen.
    So fuhr ich eines Tages in seine alte Stammkneipe in Steglitz, in die er mich als kleiner Junge öfter mitgenommen hatte. Ich hoffte insgeheim, dass ich ihn dort nicht finden würde – denn wenn er nach zwanzig Jahren immer noch am selben Tresen saß, dann wäre er ja wirklich nicht weit gekommen im Leben. Gleichzeitig fiel mir aber nicht ein, wo ich ihn sonst hätte suchen können. Als ich die Kneipentür öffnete, kam mir gleich ein Schwall Ekelrauch entgegen. An der Bar saßen fünf abgewrackte Alkoholiker. Dunkle Gestalten. Ob einer davon mein Vater war? Ich war mir nicht sicher. Wie paralysiert stapfte ich auf die Theke zu und erkundigte mich nach ihm.
    »Was willst du von dem?«, fragte mich ein zahnloses Ungeheuer mit Bierfahne, das offenbar sofort wusste, von wem ich sprach.
    »Ich bin sein Sohn«, stammelte ich. Irgendwie kamen die Worte nur schwer aus meinem Mund. Verdattert schauten mich die Alkis an.
    »Der hängt jetzt immer an der Bar zwei Ecken weiter ab!«, steckte mir der Zahnlose. Ich bedankte mich für die Auskunft und freute mich ein wenig: Immerhin hatte es mein Vater bis zwei Straßen weiter gebracht. Ich hinterließ seinen Homies meine Telefonnummer.
    »Er soll mich anrufen, wenn er Bock hat«, sagte ich und ging.
    Schon am nächsten Tag klingelte
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