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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten
Autoren: Fler
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Jahre alt war. Ich mampfte und mampfte. Essen hat mich einfach schon damals ziemlich glücklich gemacht. Während ich dasaß und futterte, lief meine kleine Spieluhr im Hintergrund. Ding-Dingeling-Ding. Sie spielte mein Lieblingslied, und ich war einfach nur happy.
    Der perfekte Moment, nichts störte unsere kleine Familienzufriedenheit. Dann schloss mein Vater die Haustür auf und trat mit einem Knall in die Wohnung. Er hatte immer Cowboystiefel an, seine Schritte taten mir in den Ohren weh, so scharf klackerten die Absätze an diesem Abend über den Holzboden. Er lief, ohne uns zu begrüßen, in die Küche zum Kühlschrank. Riss die Tür auf. Stille. Schlug Sekunden später den Kühlschrank wieder zu. Es schepperte, und mein Vater schrie.
    »Wo ist mein Bieeeer? Ich hab Durst!« Seine Stimme hallte durch die ganze Wohnung. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Natürlich wusste ich nicht, was los war – aber ich hatte deutlich das Gefühl, dass gleich etwas Schlimmes passieren würde. Meine Mutter warf mir einen ängstlichen Blick zu, dann stand sie auf und ging in Richtung Küche zu meinem Vater. Ich hörte, wie sie tief durchatmete, bevor sie den Raum verließ. Mein Vater kam ihr schon auf dem Flur entgegen, und bevor sie auch nur ein Wort zu ihm sagen konnte, schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Ich konnte im Esszimmer den lauten Knall hören. Ich bekam Panik und schrie. Meine Mutter dagegen sagte keinen Ton, sie schloss nur schnell die Tür hinter sich. Und ich saß allein im Zimmer – auf einem Kissen auf meinem Kinderstuhl. Ich wusste nicht, ob ich aufstehen oder sitzen bleiben sollte. Ich wusste nicht, ob ich mit den Beinen strampeln durfte oder besser mucksmäuschenstill sitzen blieb. Ich sackte in mich zusammen. Durch das Milchglas der Esszimmertür konnte ich in den Flur sehen. Verschwommen, aber ausreichend deutlich sah ich, wie mein Vater weiter auf meine Mutter einschlug. Seine Hand raste immer wieder auf sie zu. Immer wieder und immer wieder. Er war unfassbar brutal. Mama wimmerte erst leise, dann ließ sie plötzlich einen schrillen Schrei los. Ich wollte auch schreien, aber ich brachte keinen Laut heraus. Ich wollte nicht, dass jemand meiner Mama wehtat. Ich wollte nicht, dass mein Vater so wütend war. Im Hintergrund lief noch immer die Spieluhr, aber die Melodie war jetzt nicht mehr schön. Sie klang wie der Soundtrack zu einem Psychothriller …
Und Tschüss!
    Was tat sie da? Ich sah, wie meine Mutter hysterisch irgendwelche Sachen in große Taschen und Plastiktüten packte. Pullover, Hemden, T- Shirts, Unterhosen. Unter Tränen räumte sie die Schränke aus. Zwischendurch schrie sie unzusammenhängende Satzbrocken, die irgendwie mit meinem Vater zu tun hatten. Ich schaute sie nur verwirrt an.
    »Mama, was ist los?«, fragte ich.
    »Er muss raus hier«, schrie sie hysterisch und sprang durchs Zimmer. Als ich am nächsten Tag aus dem Kindergarten kam, sah unsere Wohnung seltsam leer aus, und meine Mutter strahlte. Sie schien erleichtert. Und mein Vater? Der war weg. Sie hatte ihn rausgeschmissen, mit seinen Siebensachen einfach vor die Tür gesetzt. Und Tschüss! Den Zeitpunkt hatte sie bewusst gewählt, ich war ja im Kindergarten gewesen und hatte von all dem nichts mitbekommen. Als ich fragte.
    »Mama, wo ist Papa?«, da sagte sie nur.
    »Er wohnt nicht mehr bei uns..
    »Aber warum? Kommt er jetzt nie mehr wieder?« Eine Antwort darauf habe ich nicht bekommen.
    Mein Vater kam schneller zurück als erwartet: Eines Nachts, als ich bereits friedlich im Bett lag und von einer besseren Welt voller Bauklötze und Matchbox-Autos träumte, wurde ich von lauten Schreien geweckt. Die Stimme erkannte ich sofort. Mein Vater stand unten vor dem Fenster, war besoffen und brüllte verzweifelt.
    »Ich will wieder rein. Macht endlich die Tür auf.« Er klingelte Sturm. Einmal. Zweimal. Dreimal.
    Ich zuckte bei jedem Klingelton zusammen. Aber meine Mutter machte nicht auf, sie tat so, als würde sie nichts hören. Wir wohnten oben im dritten Stock, und trotzdem war die Stimme meines Vaters gut zu verstehen. Ich lag mit aufgerissenen Augen im Bett und starrte an die Zimmerdecke. Ich bewegte mich keinen Zentimeter, krallte mich nur mit beiden Händen an der Bettdecke fest. Dann ließ mich ein extrem lautes Geräusch panisch zusammenzucken: Ein großer Ziegelstein flog mitten durch das Wohnzimmerfenster. Es klirrte, und ich hörte, wie Tausende Splitter in die Wohnung krachten. Ich sprang
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