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Im Bann des Kindes

Im Bann des Kindes

Titel: Im Bann des Kindes
Autoren: Vampira VA
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wenig Erleichterung. Natürlich, so konnte es sein. Ein Junge hatte sich hier versteckt, ein Ausreißer vielleicht, und er mochte sich einen Spaß daraus machen, andere zu erschrecken .
    Mirvish grinste, reichlich verunglückt und nicht halb so grimmig, wie er es sich wünschte. Aber er grinste, und es gab ihm wenigstens ein gutes Gefühl.
    »Du wirst dich wundern, Bürschlein«, knurrte er. »Dein blaues Wunder wirst du erleben.«
    Er lief los, den Flur hinab. Die ersten beiden Türen ließ er aus; sie lagen zu nahe, als daß sie es gewesen sein konnten, die zugeschlagen worden waren. Das hätte anders geklungen.
    Die dritte öffnete Mirvish schließlich. Dahinter befand sich -nichts. Ein paar Möbelstücke, deren Form sich unter den Spinnweben kaum noch erahnen ließ, aber nichts, wo jemand sich hätte verstecken können.
    Hinter der vierten fand er ein ähnliches Szenario.
    Und hinter der fünften ein Bett. Ein Bett, in dem jemand lag! Eine Nonne, wie Clarence Mirvish im Nähertreten erkannte.
    Eine tote Nonne.
    Ihrem Aussehen nach mußte sie schon sehr lange tot und in geradezu biblischem Alter gestorben sein.
    Trotzdem - Mirvish hatte das seltsam sichere Gefühl, daß diese Frau allenfalls seit ein paar Stunden tot war. Er sog schnüffelnd die Luft durch die Nase. Nicht einmal Verwesungsgestank nahm er wahr. Nur den Geruch von Alter und Staub, wie er im ganzen Gebäude allgegenwärtig war.
    Er ging noch ein wenig näher, bis er direkt neben dem Bett stand. Das Mondlicht rahmte es in ein silbernes Viereck. Die Kleidung der Toten, die Bettwäsche .
    Clarence Mirvish begriff, woher jene Sicherheit über den Zeit-punkt lag, zu dem die Nonne gestorben sein mußte. Weder ihre Tracht noch die Bezüge von Decke und Kissen wiesen irgendwelche Spuren von Verfall auf. Sie rochen zwar keineswegs wie frisch gewaschen, aber sie waren definitiv nicht alt.
    Ein eiskalter Schauer durchlief Clarence Mirvishs Körper. Er bebte wie unter Schüttelfrost, als er es wieder hörte.
    Das Kichern! Ganz nahe diesmal.
    Hinter ihm.
    Mirvish drehte sich herum.
    Der Junge stand unter der Zimmertür. Und obwohl Mirvish ihn am Abend auf dem Turm nicht erkannt hatte, wußte er, daß es sich um ein- und dasselbe Kind handelte.
    Spätestens in dem Augenblick, da es ihm freudestrahlend zuwinkte.
    »Was ... Wer ...?« setzte Clarence Mirvish an.
    Der Junge wandte den Kopf und sah draußen den Gang entlang.
    »Kommt!« rief er. »Wir haben Besuch!«
    Mirvish hörte Schritte. Schleppend, schlurfend kamen sie näher. Und mit ihnen - ein Geruch. Der Gestank, den er vor ein paar Sekunden erst noch vermißt hatte.
    Moder, Verwesung .
    Er quoll wie eine Wolke in den Raum, als sich vor der Tür jene einfanden, die das Kind herbeigerufen hatte. Sie folgten ihm ins Zimmer herein, so daß die Ausläufer des Mondlichtes sie streiften.
    Clarence Mirvish erkannte sie. Weil er sie eben noch gesehen hatte.
    Auf den Gemälden an den Wänden der Halle. Nur waren all diese Porträts zu den jeweiligen Lebzeiten derjenigen von Kilchrenan entstanden.
    Jetzt bestand nur noch vage Ähnlichkeit zwischen Bildnis und Original - nachdem die »Originale« Jahrzehnte in der Familiengruft zugebracht hatten. Aber die Übereinstimmungen waren noch immer genug, um Mirvish nicht daran zweifeln zu lassen, daß es so war ...
    Der Junge lächelte unverändert. Allenfalls strahlte sein kleines Gesicht noch ein bißchen mehr, als er rief: »Kommt, laßt uns spielen!« Und sie spielten. Mit Clarence Mirvish. Bis der Tod ihm wie eine Erlösung vorkam.
    *
    Sie waren nur noch zu dritt im Saal - Salvat, Elias und Raphael Bal-dacci. Alle anderen Männer hatte Salvat hinausgeschickt. Noch wußte er nicht, was hinter den Worten des Jungen steckte. Und es mochte sein, daß es nicht für aller Ohren geeignet war. Denn nicht jedes Geheimnis, das in den Reihen der Illuminati gewahrt wurde, mußte von allen in diesen Reihen geteilt werden ...
    »Nun«, begann Salvat, »was hat es mit diesem Bild auf sich?«
    Sie standen noch immer vor dem unfertigen Gemälde, und Raphaels Blick hing daran, als hätte er sich darin verloren.
    Und genau so war es auch. Er verfing sich nicht einfach auf der Leinwand, sondern reichte hinein in diese karge Landschaft, und dort sah er andere Bilder. Bilder einer Vergangenheit, die erst wenige Wochen alt war. Die zu aufwühlend gewesen war, als daß sie Baldacci hätte ruhen lassen. Sie würden es nie tun, wenn er nicht zu Ende brachte, was er damals begonnen hatte. Wie
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