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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit
Autoren: Dean R. Koontz
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Verbrechen zu verbergen und den, der es anzeigt, zum Schweigen zu bringen.
    »Er ist erst fünf, erst fünf«, sagte Lilly wie ein Häufchen Elend. »Chris, was ist, wenn das der Typ aus den Nachrichten war?«
    »Aus den Nachrichten?«
    »Der Serienmörder. Der, der... Kinder verbrennt.«
    »Der treibt sich doch nicht hier in der Gegend herum.«
    »Er taucht überall in Kalifornien auf. Alle paar Monate. Er verbrennt Scharen kleiner Kinder bei lebendigem Leib. Warum nicht auch hier?«
    »Weil er es nicht war«, sagte ich. »Hier handelt es sich um etwas anderes.« Sie wandte sich mit einer heftigen Bewegung vom Fenster ab und harkte mit dem Strahl der Taschenlampe durch den Garten, als hoffte sie, ihren Sohn, noch im Schlafanzug und mit vom Schlaf zerzaustem Haar, zwischen den gefallenen Blättern und zusammengerollten Streifen der papierartigen Rinde zu entdecken, die unter einer Reihe hoher Eukalyptusbäume die Rasenfläche übersäten.
    Orson nahm offenbar eine verstörende Witterung auf, knurrte leise und wich von dem Blumenbeet zurück. Er spähte zum Fensterbrett hinauf, hob den Kopf, schnüffelte, senkte die Nase wieder zum Boden und schlich zögernd zur Rückseite des Hauses.
    »Er hat etwas aufgenommen«, sagte ich.
    Lilly drehte sich um. »Aufgenommen?«
    »Eine Fährte.«
    Kaum hatte Orson den Garten hinterm Haus erreicht, setzte er auch schon zu einem leichten Trab an.
    »Dachs«, sagte ich, »verrate ihnen nicht, daß Orson und ich hier waren.«
    Das Gewicht der Furcht schien ihre Stimme dermaßen zusammenzudrücken, daß nur ein dünner Flüsterlaut herauskam. »Wem soll ich nichts verraten?«
    »Der Polizei.«
    »Warum?«
    »Ich melde mich wieder bei dir. Dann erkläre ich es dir. Ich schwöre, daß ich Jimmy finden werde. Ehrenwort.«
    Die beiden ersten Versprechen würde ich halten können.
    Das dritte jedoch war weit kläglicher als reines Wunschdenken und diente nur dazu, Lilly etwas Hoffnung zu geben, die sie vielleicht aufrecht halten würde.
    Denn als ich meinem seltsamen Hund hinterhereilte, wobei ich das Fahrrad schob, war ich bereits der Ansicht, daß Jimmy Wing für immer verloren war. Ich rechnete bestenfalls damit, am Ende der Fährte die Leiche des Jungen und - mit etwas Glück - den Mann zu finden, der ihn ermordet hatte.
     

2
    Als ich die Rückseite von Lillys Haus erreichte, konnte ich Orson nirgends sehen. Er war so pechschwarz, daß nicht einmal das Licht des Vollmonds ausreichte, um ihn erkennen zu können.
    Von weit rechts kam ein leises Bellen, dann noch eins. Ich folgte also seinem Ruf.
    Am hinteren Ende des Gartens befand sich eine frei stehende Garage, in die man nur von der rückwärtigen Gasse aus hineinfahren konnte. Ein Ziegelsteinweg führte an der Garage entlang zu einem Holztor, und dort stand Orson auf den Hinterläufen und scharrte mit den Vorderpfoten am Riegel.
    Es ist tatsächlich so, daß dieser Hund wesentlich klüger ist als normale Vertreter seiner Spezies. Manchmal habe ich den Verdacht, daß er auch beträchtlich klüger ist als ich.
    Hätte ich nicht den Vorteil, über Hände zu verfügen, wäre ich zweifellos derjenige, der sein Futter aus einer Schüssel auf dem Boden zu sich nimmt. Ihm wäre die Herrschaft über den bequemsten Sessel und die Fernbedienung des Fernsehgeräts sicher.
    Ich demonstrierte meinen einzigen Anspruch auf Überlegenheit, indem ich mit einer schwungvollen Bewegung den Riegel ausklinkte und dann das knarrende Tor auf stieß.
    Auf unserer Seite der Gasse befanden sich Garagen, kleine Schuppen und Gartenzäune. Auf der anderen Seite ging die verwitterte und von Rissen durchzogene Asphaltdecke in einen schmalen, unbefestigten Seitenstreifen über, hinter dem sich wiederum große Eukalyptusbäume und ein von Unkraut überwachsener Rasensaum befanden, der sich dann zu einer Schlucht senkte. Lillys Haus liegt am Stadtrand und ist das letzte Anwesen vor der Schlucht. Das wilde Gras und die vereinzelten Zwergeichen auf den abfallenden Hängen bieten Falken, Kojoten, Kaninchen, Eichhörnchen, Feldmäusen und Schlangen Unterschlupf.
    Orson folgte seiner beeindruckenden Nase und erkundete eindringlich das Unkraut am Rand der Schlucht, trottete nach links und dann nach rechts, jaulte leise und knurrte vor sich hin.
    Ich stand am Rand des Canyons zwischen zwei Bäumen und spähte in eine Dunkelheit hinab, die nicht einmal der fette Mond zerstreuen konnte. In den Tiefen war kein Lichtstrahl einer Taschenlampe auszumachen. Falls Jimmy in dieses
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