Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
schwachen, rechtwinkligen Umrisse der Häuser auf den höheren Hügeln sehen, die unter Bäumen kauerten oder teilweise von Straßenlampen enthüllt wurden.
    Als wir dem Flußlauf nach oben folgten, verbargen die Wälle dann auch diese Gebäude, als wäre die Nacht ein starkes Lösungsmittel, in dem alle Strukturen und Bewohner von Moonlight Bay langsam verschwinden. In unregelmäßigen Abständen mündeten Entwässerungskanäle in die Dammwälle. Manche hatten nur einen Durchmesser von gerade mal einem Meter, andere waren dagegen so groß, daß ein Lastwagen hätte hineinfahren können. Die Reifenspuren führten an all diesen Nebenläufen vorbei, immer weiter das Flußbett hinauf, und verliefen dabei schnurgerade wie getippte Sätze auf einem Blatt Papier, abgesehen von den Stellen, an denen sie herumliegendem Treibholz auswichen.
    Obwohl Orsons Aufmerksamkeit unbeirrt nach vorn gerichtet blieb, betrachtete ich die Kanäle mit gehörigem Argwohn. Bei Wolkenbrüchen ergossen sich Sturzfluten aus ihnen, die sich in den Straßen und den natürlichen Abflußgräben, die hoch in den grasbewachsenen Hügeln im Osten über der Stadt lagen, gesammelt hatten. Jetzt, bei schönem Wetter, waren diese Kanalisationsrohre die unterirdischen Straßen einer geheimen Welt, in der man äußerst seltsamen Reisenden begegnen konnte. Ich rechnete halbwegs damit, daß ein solcher mich gleich angreifen würde.
    Ich muß eingestehen, daß meine Phantasie lebhaft genug ist, jede vernünftige Einschätzung umzustoßen. Gelegentlich hat sie mir Ärger eingebrockt, aber mehr als einmal auch das Leben gerettet.
    Außerdem hatte ich schon sämtliche Teile der Kanalisation erkundet, in denen ein Mensch meiner Größe sich bewegen konnte, und war dabei auf ein paar seltsame Tableaus gestoßen. Kuriositäten und Rätsel. Anblicke, die selbst die nüchternste Phantasie mit Angst und Schrecken erfüllen konnten.
    Da die Sonne zwangsläufig jeden Tag aufgeht, muß ich mein Nachtleben auf die Grenzen der Stadt beschränken, um zu gewährleisten, daß ich stets in der Nähe der sicheren, abgedunkelten Räume meines Hauses bin, sobald die Dämmerung aufzieht. Wenn man bedenkt, daß unsere Gemeinde zwölftausend Einwohner hat - hinzu kommen noch die dreitausend Studenten des Ashdon College ., kann man sie wirklich nicht als Hinterwäldlerkaff bezeichnen; sie bietet ein durchaus annehmbares Spielbrett für das Spiel des Lebens. Doch schon mit sechzehn Jahren kannte ich jeden Zentimeter von Moonlight Bay besser als meine eigene Westentasche. Um gegen die Langeweile anzukämpfen, versuche ich dementsprechend, immer wieder neue Perspektiven von dem Stückchen Welt zu gewinnen, auf das ich mich aufgrund des XP beschränken muß. Eine Zeitlang faszinierte mich der Blick von unten, und ich durchwanderte die Abwasserkanäle, als wäre ich das Phantom, das die Gefilde unter der Pariser Oper durchstreift, obwohl ich weder über dessen Umhang und Glockenhut noch über dessen Narben und Verrücktheit verfüge.
    In letzter Zeit zog ich es vor, auf der Oberfläche zu bleiben.
    Wie jeder, der in diese Welt geboren wird, werde ich früh genug für immer unter der Erde liegen.
    Als wir nun einen weiteren Kanal passierten, ohne daß uns jemand angriff, lief Orson plötzlich schneller. Die Fährte war also heiß geworden.
    Während das Flußbett in östlicher Richtung anstieg, wurde es allmählich schmaler, und als es schließlich unter dem Highway l hindurchführte, war es nur noch zwölf Meter breit. Der vor uns liegende Tunnel war über dreißig Meter lang, und wenngleich am anderen Ende schwaches, silbernes Mondlicht schimmerte, war der Weg vor mir entmutigend dunkel.
    Offensichtlich entdeckte Orsons zuverlässige Nase keine Gefahr. Er knurrte jedenfalls nicht.
    Andererseits spurtete er auch nicht gerade zuversichtlich in die Dunkelheit. Er stand am Eingang, den Schwanz ganz ruhig gehoben, die Ohren aufgerichtet, wachsam.
    Jahrelang bin ich mit einer nur bescheidenen Summe an Bargeld für die wenigen Käufe, die ich tätige, durch die Nacht gezogen. Sonst führe ich lediglich eine kleine Taschenlampe für jene seltenen Fälle mit mir, bei denen die Dunkelheit eher ein Feind denn ein Freund sein kann, und ein Handy, das ich an meinem Gürtel befestige. Kürzlich habe ich meiner Standardausrüstung noch einen weiteren Gegenstand hinzugefügt: eine 9mm-Pistole der Marke Glock.
    Die Glock trug ich in einem geschmeidigen Schulterhalfter unter der Jacke. Ich mußte nicht nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher