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Im Bann der Dunkelheit

Im Bann der Dunkelheit

Titel: Im Bann der Dunkelheit
Autoren: Dean R. Koontz
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Dunkel entführt worden war, mußte der Kidnapper über eine unheimliche Nachtsicht verfügen.
    Mit einem leisen Jaulen gab Orson die Suche am Rand der Schlucht abrupt auf und kehrte zur Mitte der Gasse zurück.
    Er lief im Kreis herum, als wollte er dem eigenen Schwanz hinterherjagen, wobei er allerdings den Kopf gehoben hatte und aufgeregt schnüffelnd einer Fährte folgte.
    Für ihn ist die Luft ein üppiges Gebräu von Düften. Der Geruchssinn von Hunden ist tausendmal stärker als der von unsereinem.
    Ich konnte nur den medizinischen, scharfen Geruch der Eukalyptusbäume wahrnehmen. Orson hingegen wurde wie ein Eisenspan, der unausweichlich von einem starken Magneten angezogen wird, von einem anderen, bestimmt verdächtigeren Geruch angelockt und rannte in nördlicher Richtung die Gasse entlang.
    Vielleicht lebte Jimmy Wing ja noch.
    Es liegt in meiner Natur, an Wunder zu glauben. Warum sollte ich also nicht an dieses glauben?
    Ich stieg auf das Rad, trat in die Pedale und folgte dem Hund. Er lief schnell und unbeirrt, und um mit ihm mithalten zu können, mußte ich die Kette summen lassen.
    Häuserreihe um Häuserreihe leuchteten nur ein paar weit auseinander stehende Straßenlampen an den Rückseiten der Grundstücke auf, an denen wir vorbeikamen. Aus reiner Gewohnheit hielt ich mich von diesen Lichtpfützen fern und blieb auf der dunklen Seite der schmalen Straße, obwohl ich in Sekundenschnelle durch diese vom Lampenlicht erhellten Stellen hätte radeln können, was für meine Gesundheit kein signifikantes Risiko gewesen wäre.
    Xeroderma pigmentosum - XP für diejenigen, die ihre Zungen nicht zu Knoten verschlingen können - ist eine vererbbare genetische Krankheit, die ich mit einem exklusiven Klub von nur eintausend anderen Amerikanern teile. Einer von uns pro 250000 Einwohner. XP macht mich überaus anfällig für Hautkrebs und Augenkarzinome, die verursacht werden, wenn ich irgendeiner ultravioletten Strahlung ausgesetzt werde.
    Sonnenlicht. Dem Licht von Glühlampen oder Neonröhren.
    Dem leuchtenden, idiotischen Antlitz eines Fernsehbildschirms.
    Würde ich es wagen, auch nur eine halbe Stunde in der Sommersonne zu verbringen, würde ich mir schwere Verbrennungen zuziehen, auch wenn ich nicht durch einen einzigen solchen Vorfall sterben würde. Der wahre Schrecken des XP besteht jedoch darin, daß jede winzige Zeitspanne, die ich ultravioletter Strahlung ausgesetzt bin, mein Leben verkürzt, da die Wirkung kumulativ ist. Jahre der unwahrnehmbaren Verletzungen häufen sich an, bis sie sich als sichtbare Lektion manifestieren, als bösartige maligne Karzinome.
    Sechshundert Minuten, die ich im Verlauf eines ganzen Jahres dem Licht ausgesetzt bin, haben letzten Endes die gleiche Wirkung wie zehn Stunden, die ich im strahlendsten Juli ununterbrochen an einem Strand verbringe. Die Leuchtkraft einer Straßenlampe ist für mich nicht so gefährlich wie die volle Helligkeit der Sonne, aber auch nicht völlig ungefährlich.
    Kein Licht ist für mich ungefährlich.
    Ihre perfekt funktionierenden Gene können die Verletzungen Ihrer Haut und Augen, die Sie unwissentlich Tag für Tag erleiden, routinemäßig reparieren. Ihr Körper produziert im Gegensatz zu meinem ununterbrochen Enzyme, die die beschädigten Abschnitte der Nukleotidstränge in Ihren Zellen aussortieren und durch unbeschädigte DNS ersetzen.
    Ich muß im Schatten existieren, während Sie unter dem strahlend blauen Himmel leben, und trotzdem hasse ich Sie nicht. Ich verabscheue Sie nicht der Freiheit wegen, die Sie für selbstverständlich erachten - auch wenn ich Sie darum beneide.
    Ich hasse Sie nicht, weil Sie schließlich auch ein Mensch sind und daher ebenfalls unter Beschränkungen leiden. Vielleicht sind Sie nicht sehr attraktiv, geistig schwerfällig oder auch zu clever, als gut für Sie ist, taub oder stumm oder blind, neigen von Natur aus zur Verzweiflung oder können sich selbst nicht ausstehen, oder Sie haben eine unnatürliche Angst vor Gevatter Tod. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Andererseits... wenn Sie besser aussehen und klüger sind als ich, vielleicht sogar optimistischer, jede Menge Selbstvertrauen und mit mir auch die Einstellung gemein haben, sich vom Sensenmann einfach nicht unterkriegen zu lassen... nun ja, dann könnte ich Sie fast hassen, wüßte ich nicht, daß auch Sie, genau wie wir alle in dieser unvollkommenen Welt, ein schweres Herz haben und Ihre Seele von Kummer, Verlust und Sehnsucht gequält
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