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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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Wirkung entweder wohltuend oder verletzend sein kann. Ziras Worte hatten Unheil ausgelöst und sich gleich einem boshaften Wind verbreitet, hatten durch Hannahs Ohren Eingang gefunden und waren bis in ihren Bauch gedrungen, wo sie jetzt ihre dämonische Wirkung auf ihr ungeborenes Kind entfalteten.
    Avigail beugte sich über ihre Schwiegertochter, legte ihr die Hand auf die Stirn. »Hannah, ruf die Götter an. Komm zur Ruhe. Wir müssen die Wehentätigkeit zum Stillstand bringen. Das Baby darf noch nicht geboren werden. Es würde nicht überleben.«
    »Dieses abscheuliche Weib«, stieß Hannah mit zusammengebissenen Zähnen aus. An ihrem Hals traten Adern hervor. »Ich werde ihr nicht meine Tochter überlassen. Sie ist ein Rabe, der meinen Enkeln die Fallsucht anhängt.« Sie schrie auf, als sich zwischen ihren Beinen Wasser ergoss und auf dem Bett verteilte.
    »Halla«,
kam es kaum vernehmbar von Avigail, die sofort ein Schutzzeichen in die Luft malte und sich dann in der Kammer umschaute. »Wo bleibt der Wein? Wo ist das Mädchen mit der Wasserschüssel und dem Leinenzeug? Esther und Tamar, hört nicht auf zu beten. Ruft Asherah und Dagon an. Schnell! Erfleht den Beistand der Götter.«
    Sie nahm eine Kerze von einem Leuchter, um überall in der Kammer Weihrauch zu entzünden, so dass alsbald die Luft mit süßem Rauch zur Abwehr böser Geister erfüllt war. Dann eilte sie in den äußeren Korridor und spähte unruhig die von Fackeln erhellte Säulenreihe hinunter.
    Leah, die angstvoll neben dem Bett ihrer Mutter hockte, spürte eine Hand auf ihrem Arm. Es war Tante Rakel, die Älteste in Elias’ Haus, in dem sie seit zwanzig Jahren lebte. Ihr Gesicht war mit der Zeit schrumpelig geworden, ihr verrutschter Schleier gab krauses weißes Haar frei. »Mera, Liebes, lauf in die Küche und hol mir das Elixier der Asherah.«
    »Das Elixier der Asherah? Was meinst du damit, Tantchen?«
    »Spute dich. Das Rezept stammt von meinem Mann. Er war Arzt und pflanzte alle möglichen Büsche und Blumen und auch ein paar Bäume an. Damals in Jericho, wo ich herkomme. Die Leute besuchten unser Haus, um sich von meinem Mann behandeln zu lassen. Wenn er hier wäre, würde er Hannah das Elixier der Asherah verabreichen.«
    »Was ist das Elixier der Asherah?«
    Rakel legte ihre von weißen und blauen Adern durchzogene Hand auf Hannahs Unterleib. »Durch die Gnade der Göttin werden damit die Wehen zum Stillstand gebracht. Als meine Schwester im siebten Monat schwanger war, verirrte sich ein Falke ins Haus und fand nicht mehr heraus. Wir versuchten ihn einzufangen, aber er flog von einem Zimmer ins andere, bis er an einen Pfeiler stieß und tödlich verletzt zu Boden fiel. Bei meiner Schwester setzten daraufhin die Wehen ein, und um ein Haar hätten wir das Kind verloren, wenn nicht mein Ehemann ihr das Elixier verabreicht hätte. Aber nachdem sie es genommen hatte, kamen die Wehen zum Stillstand, und das Baby konnte voll ausgetragen werden. Er lebt noch und ist kerngesund, mein Neffe Ari.«
    Avigail kam vom Korridor zurück. »Worüber spricht Tante Rakel da? Wer ist Ari?«, fragte sie stirnrunzelnd.
    »Mera, geh sofort in die Küche!«, rief die alte Frau. »Noch einmal dürfen wir Rebekka nicht verlieren!«
    »Rebekka?« Avigail sah sie verdutzt an, dann hellten sich ihre Züge auf. »Ari, Rebekka.
Halla,
die sind schon seit Jahren tot. Wenn ich mich recht erinnere, war Mera, als ich klein war, eine Dienerin. Leah, schau nach, wo der Arzt bleibt. Rakel, du gehst jetzt in deine Kammer. Mit deinem Gerede jagst du Hannah nur Angst ein.«
    »Aber das Elixier der Asherah wird ihr helfen! Es wird das Kind retten.«
    »Komm schon, sei so gut und leg dich hin. Bete zu den Göttern. Ah, da ist ja der Wein.«
    Avigail nahm den Becher entgegen und eilte zum Bett, setzte sich neben ihre Schwiegertochter und hielt ihr den Wein an die Lippen. »Trink, so viel du kannst, Liebes, und rufe dabei die Götter an. Das wird die Wehentätigkeit verlangsamen und dich so weit beruhigen, dass du das Baby in dir behalten kannst.«
    »Asherah, hilf mir, ich kann nicht!«, schrie Hannah. »Das Kind kommt!«
    Mit zitternder Hand stellte Avigail den Becher ab und trat zum Fußende des Bettes. Der Schleier war ihr vom Kopf gerutscht, kastanienbraunes Haar mit silbernen Strähnen glänzte im Schein der Lampe auf. Zum Handeln bereit, beugte sie sich vor. »Oh, Hannah! Aufhalten lässt es sich nicht mehr. Alles liegt in der Hand von Asherah. Komm, Leah, hilf
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