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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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Hannah. »Ich finde diese Frau grässlich.«
    Avigail musterte ihre schwangere Schwiegertochter. Sie stammte aus dem Norden, ihr Vater baute Datteln an. Hannahs gekrümmte Haltung und die Art, wie sie sich die Hände auf den geschwollenen Leib presste, gaben ihr zu denken. Wo sie doch achtundzwanzig Tage hintereinander im Tempel der Asherah ein männliches Kind erfleht hatte! »Sprich rasch ein Gebet, Tochter.«
    Jetzt war wieder die scharfzüngige Frau zu hören: »Versteht sich deine Tochter auf harte Arbeit, Elias? Ich dulde nämlich keine Faulheit unter meinem Dach.«
    »Halla!«,
stieß Hannah abermals leise aus und presste die Hände auf den Leib. »Sie wird meine Tochter wie eine Sklavin schuften lassen. Ein angenehmes Leben dürfte Leah nicht bevorstehen.«
    »Hannah, such deine Kammer auf. Sprich ein Gebet. Du musst an dein Kind denken.«
    Hannah jedoch blieb sitzen. »Mir gefällt nicht, wie Jotham meine Tochter anstiert«, tuschelte sie wütend. »Mögen die Götter ihr beistehen.«
    Avigail tätschelte den Arm ihrer Schwiegertochter. »Er ist ein Mann. Da muss er sie doch so ansehen.«
    »Und wie er sich die Lippen leckt! So unverkennbar lüstern, einfach widerlich! Seine früheren Frauen sollen ja daran gestorben sein, dass er sie in der Schlafkammer über alle Maßen traktiert hat.«
    »Beruhige dich, Hannah«, sagte Avigail beschwichtigend. Erstaunlich, welche Wirkung Qadeschs Fruchtbarkeitsamulett zeigte, denn Jotham glotzte Leah tatsächlich mit unverhohlener Begierde an. »Du regst dich nur unnötig auf. Ruf die Götter an. Denk an dein ungeborenes Kind.«
    »Er ist so alt. Fünfundvierzig. Und keines seiner männlichen Kinder hat überlebt! Über seinem Haus schwebt Unheil.«
    Avigail unterdrückte die Bemerkung, dass es im Hause Elias nicht anders stand und dass sie in Gebeten Qadesch und Asherah anflehte, eine Verbindung der beiden Häuser möge diese Pechsträhne beenden. Da sie sah, wie verstört ihre Schwiegertochter war, sagte sie jedoch: »Mach dir keine Sorgen, Hannah, Liebes. Ich werde schon dafür sorgen, dass Leah in Jothams Haus gut behandelt wird. Denk lieber an das Kind in deinem Leib. Es muss noch zwei Monate darin ausharren. Bring ihm keine bösen Träume. Ruf Asheras gesegneten Namen an.«
    Aber Hannahs Erregung steigerte sich immer mehr. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Der Albtraum geisterte durch ihre Gedanken – der Rabe, der von Weinamphoren sprach, das Mädchen, das Leah ähnelte und das sich in Krämpfen auf dem Boden wand …
    In diesem Augenblick wollte Leah gerade Jotham eine Schale mit Muschelsuppe zureichen. »Mutter Avigail –«, hauchte Hannah so kraftlos, dass ihre Worte die Schwiegermutter nicht erreichten.
    »Du wirst wohl ein bisschen mehr für die Mitgift aufbringen müssen.« Auf diese unverschämte Bemerkung Ziras hin erwarteten Elias und auch die Frauen hinter dem Wandschirm, dass Jotham ihr zu schweigen gebieten würde. Aber der dicke Schiffbauer beschäftigte sich mit einer Blutwurst und ließ seine Schwester gewähren.
    »Wieso sagst du das?«, fragte Elias, der nicht gewohnt war, Geschäftliches mit einer Frau zu besprechen.
    »Mein Bruder wird ein Mädchen heiraten, das weitergereicht wurde. Was sollen denn die Leute denken?«
    »Weitergereicht?«, empörte sich Elias. »Der junge Mann
ist gestorben.«
    Zira zuckte mit den Schultern. »Mein Bruder fordert eine Entschädigung dafür, dass wir sie dir abnehmen. Zweihundert Amphoren deines besten Jahrgangs sind angemessen.«
    »Was?!«, fuhr Elias auf. Und hinter dem Wandschirm flüsterte seine Ehefrau Hannah Avigail zu: »Mutter Avigail, der Traum, von dem ich dir heute Morgen erzählte – genau das hat der Rabe zu mir gesagt! Und dann sah ich, wie das Mädchen, das Leah so ähnlich sah, einen Anfall bekam und zu Boden sank. Jetzt weiß ich, was der Traum zu bedeuten hat. Er weist darauf hin, dass die Fallsucht Jotham im Blut liegt. Das Mädchen, das wie Leah aussah, ist bestimmt die Tochter, die sie irgendwann bekommt, und die Götter warnen uns, dass bei einer Heirat zwischen Leah und Jotham ihre Kinder diese Fallsucht erben könnten.«
    Avigail schwieg betroffen. Jeder in Ugarit wusste von dem Gerücht, dass Ziras Sohn unter
Anfällen litt. Da Zira aber politische Ambitionen für ihren Sohn hegte, durfte man, wenn es um Politik ging, Gerüchten nicht unbedingt Glauben schenken. Andererseits hatte Tante Rakel seit ihrer Flucht aus Jericho Avigail immer wieder eingeschärft, die prophetische
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