Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
werde kein Wort mehr über Yehudas Fallsucht verlieren. Aber allein die Tatsache, dass sie Ziras Geheimnis gelüftet hatte, war Anlass genug, Vergeltung zu üben. Und Jothams Einfluss reichte sehr weit. Freunde von Elias bekundeten zwar Mitgefühl, fürchteten jedoch Jothams Zorn.
    Avigail hatte gehofft, dass in Anbetracht ihrer Herkunft Elias gegen Jothams Rachefeldzug gefeit wäre. Sie selbst stammte von Ozzediah ab, einem der bedeutendsten Könige Kanaans, weshalb auch ihre Enkelinnen besonderes Ansehen genossen. Aber nein. Mögliche Heiratskandidaten hielten sich vom Haus des Elias fern.
    Diese Situation bekümmerte Avigail zutiefst. Da hatte sie so viel dazu beigetragen, die
Zukunft ihrer Familie zu sichern, war überzeugt gewesen, ihr Ziel erreicht zu haben, und hatte darüber vergessen, wie launisch das Schicksal sein konnte. Sie hatte ein verstecktes Haus im Bergland erworben, einen echten Zufluchtsort, hatte Gold vergraben, Wachen eingestellt – sie hatte sich auf das
körperliche
Wohlergehen ihrer Familie konzentriert und niemals einen Schicksalsschlag wie diesen in Erwägung gezogen! Und jetzt war das Haus von Elias dem Winzer ein Haus voller Frauen. Der einzige Mann, der hier lebte, war Elias selbst. Räume für Bärte und tiefe Stimmen standen leer. Göttliche Asherah, betete Avigail, bring uns Söhne ins Haus, sonst stirbt unsere Blutlinie aus!
    Sie richtete ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart, auf die Krise, die die Familie überschattete. Weil Jotham Leah nicht bekommen hatte, sollte sie auch kein anderer bekommen. Ein Wort hier, eine versteckte Drohung da, auf diese Weise sorgte Jotham dafür, dass die Männer in Ugarit es für ratsamer hielten, sich anderswo nach einer Ehefrau umzusehen, anstatt sich gegen den einflussreichen Schiffbauer zu stellen.
    Sie warf einen Blick auf Esther, ihre jüngste Enkelin, die gerade dabei war, eine Perlenkette aufzufädeln. Ein liebes junges Mädchen, gehorsam und bescheiden. Eine gute Ehefrau, wenn es nicht so aussichtslos wäre, dass die Dreizehnjährige mit ihrer gespaltenen Lippe und den dadurch ständig entblößten Zähnen jemals heiraten, geschweige denn Kinder bekommen würde. Ihr Weg war vorgezeichnet. Um sie brauchte sich Avigail keine weiteren Gedanken zu machen.
    Umso mehr um Tamar, ihre siebzehn Jahre alte Enkeltochter, die in der Sonne an ihrem Webstuhl saß. Feuer loderte in diesem gertenschlanken Körper. Jung wie sie war, strahlte sie verführerische Reife aus und war mit einem sinnenfreudigen Appetit gesegnet. »Großmutter, erzähl mir doch noch mal, wie es in meiner Hochzeitsnacht sein wird.« Es gab nichts gegen eine Frau mit ausgeprägter Fleischeslust einzuwenden, beileibe nicht. Schließlich konnte sich in Ugarit eine Ehefrau rechtmäßig scheiden lassen, wenn ihr Mann sie im Bett nicht befriedigte. Aber für ein jungfräuliches Mädchen schickte es sich nicht, derartige Neugier an den Tag zu legen. Mit welchen Blicken Tamar auf dem Markt die Männer bedachte und dabei auch noch ihren Schleier lüftete! Ebenso wenig war Avigail entgangen, wie die Männer ihrerseits Tamar ansahen. Kein Wunder, sie war ja auch bildhübsch. So hübsch, dass dies durchaus verhängnisvoll hätte sein können. Aber Tamar verstand sich darauf, ihre Schönheit zu ihrem Vorteil zu nutzen. Schon als Kind hatte sie sich gern Männern auf den Schoß gesetzt, sie am Bart gekitzelt und dafür Süßigkeiten eingeheimst. Für Avigail stand fest, dass Tamar bald heiraten musste, um angesichts ihres Naturells eine Katastrophe zu verhindern.
    Nur dass Tamar nicht heiraten konnte, ehe nicht ihre ältere Schwester verheiratet war. Das lieferte einen Grund mehr für die Eile, einen Ehemann für Leah zu finden. »Ich werde meiner Cousine in Sidon schreiben«, sagte sie abschließend. »Sie hat fünf gesunde Söhne. Einer von ihnen sollte doch bereit sein, Leah zu heiraten. Schick Shemuel den Schreiber zu mir, damit ich ihm umgehend einen Brief diktiere.«

    Während Leah ihrer Mutter das Haar kämmte, versuchte sie sich daran zu erinnern, was sie über die Cousine ihrer Großmutter – und vor allem über deren fünf Söhne – in Sidon wusste. Sie hatte das Diktat mitbekommen, das Shemuel der Schreiber aufgenommen hatte: »Leah ist ein kerngesundes Mädchen, gehorsam und in Handarbeiten geschickt.« Welchen Sohn würde die Cousine wohl entsenden? Hoffentlich einen, der einigermaßen gut aussah und freundlich war. Mit neunzehn, das sah Leah ein, durfte sie nicht wählerisch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher