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Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

Titel: Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Wood
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Elias«, wies sie ihn zurecht. »Geh sofort wieder zu ihnen. Ich komme nach, sobald ich kann.«
    Schweren Herzens kehrte Elias in die Empfangshalle zurück, wo er sich für das unterbrochene Mahl entschuldigte und seine Gäste bat, das Haus zu verlassen. »Bei uns herrscht jetzt Trauer. Mein Sohn ist zu den Göttern gegangen.«
    »Wie ungehörig«, zischte Zira. »Als mein Yehuda geboren wurde, hatten wir Prinzessin Sahti
und ihre Familie zu Gast. Beim Abendessen verlor ich mein Fruchtwasser, worauf ich höflich bat, mich zurückziehen zu dürfen, ohne den Grund dafür anzugeben. Ich suchte meine Schlafkammer auf, wo ich
ganz allein
meinen Sohn zur Welt brachte. Unsere Gäste wussten nicht einmal, wie es um mich stand, derart rücksichtsvoll verhielt ich mich ihnen gegenüber. Nicht nur, dass deine Tochter Leah höchst ungehorsam war, du selbst hast uns einfach hier sitzen gelassen. Und dann hat mich deine Mutter auch noch mit ihren Lügen über meinen Sohn beleidigt!«
    Elias war außerstande, darauf zu antworten. Seine Hand fuhr zum Hals, zerrte dort so lange an seiner Tunika herum, bis sie zerriss. Später würde er sich den Bart scheren und sich Asche aufs Haupt streuen.
    »Tut mir leid, dein Verlust, Elias«, sagte Jotham mürrisch. »Ich werde dafür beten, dass dein Sohn bei Dagon ist. Aber du hast mir eine Menge Ärger eingebrockt. Deinetwegen stehe ich nun blamiert da. Wenn du mir deine Tochter gibst, werde ich das als Wiedergutmachung betrachten.«
    Elias sah ihn entgeistert an. Über die Heirat war ja noch kein Wort verloren worden! Er schüttelte den Kopf und sagte resigniert: »Es tut mir leid, mein Freund, aber das geht nicht.«
    Jothams Gesicht verdüsterte sich. »Das wirst du bereuen, Elias. Deine Tochter und deine Mutter sollten sich schämen, wie sie sich deiner wie meiner Familie gegenüber verhalten haben. Bist du denn so ein Schlappschwanz?«
    »Bei den Göttern!«, entfuhr es Elias. »Ich habe gerade meinen Sohn verloren. Muss ich mir das jetzt auch noch anhören?« Er rieb sich übers Gesicht, erschöpft, tief verwundet von seinem Unglück. »Wenn sich hier einer schämen sollte, Jotham, dann bist du es, weil du diesem Haus, das allen Grund hat zu trauern, keinen Respekt erweist.«
    Jotham neigte den Kopf leicht zur Seite. »Du bist schuld, dass ich vor meiner Schwester gedemütigt dastehe. Wie soll ich mich jetzt in meinem Haus behaupten?«
    Am liebsten hätte Elias geantwortet: Du hast dich in deinem Hause noch nie behaupten können. Aber er biss sich auf die Lippen. Es kam ihm vor, als lastete das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern. Er war zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig. Sein einziger Sohn – tot …
    »Lass dir eins noch gesagt sein, Elias.« Ehe er weitersprach, beugte sich Jotham vor. »Irgendwann wirst du mich noch anflehen, deine Tochter zu nehmen. Und vor Dagon und Baal verspreche ich dir hiermit, dass entweder
ich
Leah bekomme oder niemand!«

2
    »So kann es nicht weitergehen, Elias. Irgendetwas muss unternommen werden, sonst kommen unsere Töchter nie zu einem Ehemann.«
    Avigail und ihr Sohn hielten sich im Sonnenzimmer des Frauentrakts auf. Während es Männern, die nicht zur Familie gehörten, grundsätzlich untersagt war, diesen Teil der Villa zu betreten, durften männliche Verwandte dies mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Frauen tun. Eine Tradition, begründet vor langer Zeit von damaligen Hausherrinnen, die einen Lebensbereich nur für sich beanspruchten, um sich dort für die Dauer ihres Zyklus zurückziehen und abseits der Stürme, die in der Welt draußen tobten, zum Wohle ihrer Familie wirken zu können. Dieser Bereich unterstand Avigail; ihr Sohn war auf ihre Einladung hin erschienen. Genauer gesagt: Er war dazu aufgefordert worden.
    Elias spielte an dem schweren Siegelring herum, der seinen Daumen schmückte, einem Karneol, in den Elias’ Erkennungszeichen graviert war – ein Mann, der unter einer weinumrankten Laube saß, die Arme lobpreisend zu den Göttern erhoben. Dieses Siegel benutzte er, um Verträge zu unterzeichnen, Briefe, Belege, juristische Dokumente. »Ich weiß nicht, was ich tun soll, Mutter. Dass Jotham derart nachtragend sein würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.«
    Auch Avigail wunderte sich über das Ausmaß von Jothams Feindseligkeit. Bestimmt wurde er von Zira darin bestärkt und getrieben. Avigail hatte zwar die Krankheit von Ziras Sohn zur Sprache gebracht, ihr anschließend aber versichert, sie
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