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Ihr stolzer Sklave

Ihr stolzer Sklave

Titel: Ihr stolzer Sklave
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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hob stattdessen ein Stück Eibe hoch. Er saß ihr auf einem Baumstumpf gegenüber. Prüfend glitten seine Hände über das Holz. Er war so sehr damit beschäftigt, dass er ihre Frage überhört hatte.
      Doch sie kannte die Antwort bereits. Überhaupt nichts hatte er gegessen.
      Schätzte sie ihn richtig ein, war das hier ein Mann, der nicht um Hilfe bat.
      Sie wusste nicht, was er während seiner Haft zu essen und zu trinken bekommen hatte, aber viel konnte es nicht gewesen sein.
      Es machte ihr ein schlechtes Gewissen, jemanden leiden zu sehen.
      Selbst diese Person hier, so ungehobelt sie auch war, verdiente es nicht zu hungern. Wenn sie ihm aber jetzt anbot, ein Essen zuzubereiten, würde er es niemals anrühren.
      Nein. Besser, sie gab sich den Anschein, wütend auf ihn zu sein. Dann würde er essen und wenn auch aus keinem anderen Grund, als sie damit zu reizen.
      „Bei der Liebe der heiligen Brigid, wie willst du je diese Arbeit vollenden, wenn du nichts isst?“ Entrüstet schnappte sich Iseult einen der großen Eisenkessel von der Feuerstelle und ging nach draußen. Sie füllte ihn mit Wasser und schleppte ihn wieder hinein.
      Der Sklave stellte sich ihr in den Weg. Seine Augen betrachteten sie einen Moment lang, und ihre intensive Schwärze hielt Iseult gefangen.
      Blaue Flecken und Schnittwunden überzogen seine Wangen, und am Kinn hatte er eine dunkle Schwellung. Hinter der ungekämmten Erscheinung verbarg sich ein erschreckend gut aussehender Mann. Er besaß nicht das edle Aussehen Davins. Seine Züge waren härter, und sie nahmen einen Betrachter mehr gefangen.
      „Ich nehme nichts, das mir nicht gehört.“ Seine Hände legten sich um den eisernen Griff des Kessels. Dabei streifte er ihre, als er ihr das Gefäß abnahm. Um ein Haar wäre Iseult bei der Berührung zurückgeschreckt.
      Was, um Himmels willen, war nur los mit ihr? Sie bekam heiße Wangen.
      Während er den Kessel aufs Feuer setzte, beschäftigte sie sich rasch damit, das mitgebrachte Gemüse aus den Vorräten zu putzen. So musste sie ihn nicht anschauen.
      „Ich versprach Davin, eine Stunde lang zu bleiben. Das heißt aber nicht, dass ich nur so dasitze und nichts tue. Du musst jetzt schnitzen. Wenn ich mit dem Kochen fertig bin, gehe ich.“
      Sie holte aus ihrem Sack ein in ein Tuch eingewickeltes Stück Hammelfleisch, schnitt das Fleisch klein und legte es in das Wasser. Eine Locke fiel ihr ins Gesicht, und sie strich sie beiseite.
      All ihr Zorn schien sie zu verlassen. Es war ein weiterer vergeudeter Tag gewesen, ein Tag ohne Nachricht von ihrem Sohn. Am liebsten hätte sie sich auf ihrer Lagerstatt zusammengerollt und nur noch geweint.
      Stattdessen musste sie die Gesellschaft dieses Mannes ertragen.
      „Schmeichelt es dir denn gar nicht, dass dein Verlobter diese Schnitzerei haben möchte?“, fragte Kieran.
      Hinter ihr war ein leises, kratzendes Geräusch zu vernehmen.
      „Nein. Ich habe Besseres zu tun.“ Sie wäre jetzt lieber bei Muirne und den Kindern und würde den Jungen Geschichten erzählen. Jede Arbeit wäre gut, alles, was sie beschäftigte und davon abhielt, an Aidan zu denken.
      Als sie damit fertig war, sämtliche Zutaten für den Eintopf in den Kessel zu werfen, wandte sie sich um. Kieran hatte das Holz nicht angerührt.
      Stattdessen benutzte er ein Stück Kohle, um damit eine Skizze auf ein dünnes Brett zu zeichnen.
      „Was machst du da?“
      „Wie du schon sagtest, hast du Besseres zu tun. Ich halte dein Bild auf diesem Brett fest und werde es erst später schnitzen.“ Seine Hände bewegten sich schnell, und Iseult trat näher, um zu sehen, was er gemalt hatte.
      Er zog das Brett fort und verbarg das Bild vor ihrem Blick. „Noch nicht.“ Das war alles, was er sagte.
      „Vielleicht hast du mich mit zwei Nasen und drei Kinnen gemalt“, meinte sie.
      Ganz kurz zeigte sich ein amüsiertes Lächeln um seine Mundwinkel.
      „Nein. Aber ich dachte daran, Hörner und eine gespaltene Zunge zu zeichnen.“
      Ernüchtert rührte Iseult den Eintopf um. Sie gehörte ganz und gar nicht zu dieser Art Frauen. Davin hatte sie sanftmütig genannt.
      Doch in Gegenwart dieses Mannes wurde sie zur Furie.
      Statt nach einer scharfen Erwiderung zu suchen, starrte sie in den Kessel und stellte sich vor, dass sie den Eintopf mit Bilsenkraut würzen konnte. In diesem Moment fiel ihr ein, dass sie sämtliche Gewürze vergessen hatte.
      Und außerdem hatte sie das
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