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Ihr stolzer Sklave

Ihr stolzer Sklave

Titel: Ihr stolzer Sklave
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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Gemüse zu früh hinzugefügt.
      Während die Zeit verging, würden die Erbsen matschig und das Fleisch zäh. Iseult biss sich auf die Lippen. Sie wusste, dass sie eine miserable Köchin war. Ein Teil von ihr dachte, dass es Kieran ganz recht geschah, während der andere sich über den Mangel an Können schämte. Was für eine Frau würde sie nur für Davin abgeben!
      Endlich schöpfte sie etwas von dem Eintopf in eine hölzerne Schale und fand einen Löffel, den Kieran benutzen konnte. Kieran beäugte das jämmerlich zermatschte Gemüse und das zu Tode gekochte Fleisch.
      „Iss“, befahl sie ihm. „Wenn ich mir schon solche Mühe mache, will ich nicht, dass du vor Schwäche umfällst.“
      Es fiel ihr immer schwerer, ihre überlegene Haltung beizubehalten. Was sie da zusammengekocht hatte, war einfach grauenvoll. Aber er aß in Ruhe den Eintopf und machte keine Bemerkung über das Fehlen jeglicher Würze.
      „Was wirst du als Nächstes tun?“, fragte sie, als er sein Mahl beendete und die Schale beiseiteschob.
     
      „Ich werde dein Gesicht auf das Holz übertragen und dann mit diesem Messer die ersten Linien nachziehen.“ Er hielt eine kurze Klinge in die Höhe. Iseult erinnerte dies an einen kampfbereiten Mann. Mit den Schnittwunden und den Prellungen in seinem Gesicht konnte Iseult sich gut vorstellen, wie er, Kampfschreie ausstoßend, über ein Schlachtfeld ritt.
      Nachdem Kieran das Messer beiseitegelegt hatte, nahm er wieder das Stück Holzkohle und das Brett zur Hand. Sein Blick glitt über ihr Gesicht und ihren Körper. Er zeichnete langsamer und betrachtete sie, als könnte er tief in ihr Innerstes sehen.
      Das Herz schlug Iseult bis zum Hals, und sie überlegte, den Wächter hereinzurufen. Mit diesem Sklaven allein zu sein ließ sie vorsichtig werden.
      Jäh wechselte Kieran den Rhythmus seines Zeichnens. Seine Hände bewegten sich auf einmal schneller, er machte rasche Striche, als würde er ihre Umrisse, ohne auch nur nachzudenken, einfangen. Iseult bemerkte auf seinen Handrücken mehrere Narben, sie konnten von Verletzungen stammen, die man ihm in einer Schlacht zugefügt haben mochte.
      „Früher warst du kein Sklave, nicht wahr?“, vermutete sie.
      Er zuckte die Achseln und warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder seiner Zeichnung widmete.
      „Für einen Sklaven bist du zu selbstbewusst“, fuhr sie fort, „und für einen Holzschnitzer zu eingebildet.“ Sie bezweifelte, dass er ein König war.
      Möglicherweise war er ein Krieger oder der Sohn eines Häuptlings.
      „Es ist nicht wichtig, was ich einst war“, sagte er. Sein finsterer Gesichtsausdruck warnte sie davor, noch mehr Fragen zu stellen. „Wichtig ist nur, was ich jetzt bin.“
      In seinen Augen blitzte Groll auf. Iseult griff nach der Schale und dem Löffel. Ohne dass es ihr bewusst war, studierte sie sein mageres Gesicht, das schroffe Kinn, den fest zusammengepressten Mund.
      Er brachte sie aus der Fassung, und doch konnte sie nicht aufhören, ihn anzustarren. Sie zitterte am ganzen Körper, nachdem er ihr mit seelenlosen Augen geantwortet hatte. Rasch wechselte Iseult das Thema. „Vermisst du deine Familie?“
      „Ich denke nicht mehr an sie.“ Die Bitterkeit in seiner Stimme war eine weitere Warnung. „Sie haben ihr Leben – und ich das meine.“ Iseult schauderte bei der Freudlosigkeit eines solchen Daseins.
      Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken zu Aidan. Seit man ihn ihr gestohlen hatte, herrschte eine Leere in ihrem Innern, die durch nichts gefüllt werden konnte. Sie schlang die Arme um sich, als könnte sie so die Traurigkeit verjagen.
      „Wie kam es, dass du als Sklave endetest?“
      Kieran hörte zu zeichnen auf und stellte das Brett beiseite. „Für heute Abend sind wir fertig.“
      Er ging an ihr vorbei und hob das Fell an, das den Eingang verdeckte. Es war die wortlose Aufforderung zu gehen. Iseult blieb an der Tür stehen. In einem Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. Er sah sie an, als hätte sie ihm die Luft aus den Lungen geraubt. Ihr wurde ganz warm, und während sie ihn anschaute war es, als hätte sie sich zur Sklavin und er sich zum Eroberer gewandelt.
      Ohne noch einmal zurückzuschauen, stolperte sie in die Nacht hinaus.
     

  4. KAPITEL
 
      „Kieran!“, flehte sein Bruder. Die Männer zerrten Egan zum Rand der hölzernen Palisade und rissen seinen Kopf zurück. Mit einem kurzen Seitenblick auf Kieran zogen sie die
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