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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen
Autoren: Friedrich Ani
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bewunder dich dafür. Und ich würd mir gern was abschauen von deinem Blick. Bist du einverstanden, P-F?«
    »Nenn mich Polonius«, sagte er.
    »Mach ich. Warum…« Sie hielt inne, wich seinem Blick aus und zwang sich zu einem sachlichen Ton. »Trotzdem: Die beiden Männer werden wegen Mordes oder Totschlags angeklagt, und die wahren Umstände – so wie du sie siehst – bleiben jedem Richter verborgen.«
    »Unser Job ist es, Beweise für eine solide Anklage zu beschaffen, und nicht, die Welt zu erklären oder den Menschen. In diesem Sinn hat Micha recht.«
    »Find ich nicht.«
    »Nein?« sagte Fischer.
    Nachdem sie eine Zeitlang mit beiden Händen über die Stadt aus Bronze gestrichen und die unzähligen Erhebungen und rauhen Punkte gefühlt hatte, sagte sie noch einmal: »Nein.«
    Fischer beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf den Mund. Sie starrte seine Krawatte an und fragte mit zittriger Stimme: »Was heißt eigentlich Dharma?«
    Lieber Jonathan, Du liebster Mensch. Auf dem Wohnzimmertisch liegen drei Mappen mit Versicherungsunterlagen und Dokumenten für das Haus und einige Fotografien, von denen ich weiß, daß sie Dir viel bedeutet haben, mir weniger, aber es ist jetzt Deine freie Entscheidung, ob Du sie aufbewahrst. Das gilt auch für die neun schwarzen Hefte, meine Tagebücher, die zu schreiben mir manchmal ein wenig Erleichterung verschafft hat. Du weißt, das Leichte war eine Last für mich, und ich habe Dich um Deine Unbeschwertheit in vielem beneidet. Wenn Du die Tagebücher aufdringlich findest, entsorge sie mit den Plastiktüten, die voller alter Zeitungen und Illustrierten sind und die ich nicht mehr in den Container bringen konnte, weil es mir nicht gelang, das Haus zu verlassen. Wo ist meine schwarze Einkaufstasche mit dem schönen Leder? Ich habe sie überall gesucht. Ich kann doch Plastiktüten nicht ausstehen. Verzeih mir, daß ich in den vergangenen Jahren so stubenhockerig gewesen bin und Dich nirgendwohin begleitet habe. Ich hatte die Kraft nicht, und ich wollte auch nicht, daß die Leute eine alte Frau neben Dir sehen. Du hast mir versichert, mein Alter sei niemals ein Problem für Dich und es sei Dir gleichgültig, was die Leute hinter unserem Rücken über uns reden. Dafür habe ich Dich sehr geliebt. Ich aber, Liebster, habe mich jeden Tag geniert, wenn ich in den Spiegel sah oder wenn ich uns beide im Spiegel sah oder wenn wir im Bett lagen. Du warst aufrichtig und fein mit mir, und ich küsse Dich in diesem Moment. Es ist nicht wichtig, wie viele Geliebte Du hattest und was Du getan hast, während Du unterwegs warst und die Zeit herumbringen mußtest. Schon lange weiß ich, daß Du nicht mehr bei der Kosmetikfirma arbeitest. Warum man Dich entlassen hat, obwohl Du jahrelang einen schnittigen Umsatz für sie gemacht hast, darüber könnte ich spekulieren, aber das möchte ich nicht. Du wolltest mich schonen, Du warst rücksichtsvoll und behutsam und hattest Angst, ich würde mich zu sehr aufregen oder Deine Arbeitslosigkeit würde mich deprimieren.
    Ach Liebster, nichts, was Dich angeht, hätte mich jemals deprimieren können, meine Liebe zu Dir war nicht zu erschüttern in diesem Leben. Manchmal habe ich Dich vermißt, das muß ich gestehen, und manchmal war ich zornig und habe wegen Dir Wein getrunken. Aber ich sage Dir aus tiefer Seele: An meinem Trinken bist Du nicht schuld gewesen, sondern ich selber und meine Furcht und mein Gequältsein und mein verschrumpeltes Empfinden. Das ist nun vorüber. Ich bitte Dich, mir zu vergeben, daß ich Dich nicht mehr angerufen habe, aber was hättest Du mir sagen sollen? Auf Deine Anrufe zu warten war in den vergangenen Jahren mein Glück, und wenn Du von Deinen Reisen zurückkamst, zehrte ich lange von Deiner Umarmung an der Tür. Das ist alles richtig gewesen. Im Kühlschrank stehen zwei Flaschen Weißwein, die Butter hält noch bis zum nächsten Monat, den Käse mußt Du bald wegwerfen. Der Rote-Bete-Saft ist viel zu gesund, schütte ihn in den Ausguß, Du bist ja gesund. Die Lilien wegzuwerfen habe ich nicht übers Herz gebracht, ich weiß, Du kannst den Geruch nicht ertragen, verzeih mir. Und das ist alles, was ich mir von Dir wünsche: Sei barmherzig, verurteile mich nicht für das, was ich getan habe, denke, es ist mir so schwer gefallen wie nichts auf der Welt, und doch hatte ich keine Wahl. Die Tabletten, die mir der Dr. Roth verschrieben hat, habe ich heimlich gesammelt, das gestehe ich, und er hat mir immer wieder neue
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