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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen
Autoren: Friedrich Ani
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delegiert, und Sie begreifen es nicht mal. Vielleicht waren Sie auf dem Weg zum reinen Glauben, aber Sie haben nicht durchgehalten, Sie sind gescheitert. Weil Sie schwach waren, weil Sie schwach sein wollten! Als ich erkannt hatte, daß Jesus nicht heroisch, sondern feige gehandelt hat, hab ich die Kirche verlassen, da war ich neunzehn Jahre alt. Aber nach zwei Jahren kehrte ich zurück, weil ich das eigentliche Wesen der katholischen Kirche erkannt hatte, und dafür werd ich Gott danken bis zum Tod und darüber hinaus. Und ich hab die Frau Schubart nicht getötet, und es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen das zu beweisen! Es spielt nämlich keine Rolle. Ich sage Ihnen, ich wollt sie auf den rechten Weg zurückweisen, und sie hat sich entzogen. Und ich betone ausdrücklich: Wenn das Kind nicht auf mich gewartet hätt und kein Kind gewesen wär, das bis zu dieser Nacht und allen Qualen und Enttäuschungen und Erniedrigungen zum Trotz immer noch darauf gehofft hatte, daß aus ihrer Mutter eine Laternenanzünderin würd, hätt ich die Leiche der Frau Schubart in den Wald gebracht und verstümmelt und angezündet, und dann wär ich nach Hause gefahren und hätt meiner Frau gestanden, daß ich seit dem ersten Januar arbeitslos bin. Du sollst nicht töten. Und dieses Gebot, Sie niederträchtiger und verdammungswürdiger Feigling, gilt absolut! Für alle Ewigkeit! Was denken Sie? Halten Sie mich für einen Idioten? Halten Sie mich für einen Fanatiker? Nein. Sie halten mich für einen Mörder, für einen Kindesentführer, Sie können Ihre Haltung sogar beweisen, vermute ich. Wenn Sie meine Akte geschlossen haben, wartet schon Ihr nächster sogenannter Fall auf Sie. Sie wissen immer, was zu tun ist, Sie kennen sich aus, Sie durchschauen jeden Lügner, das seh ich Ihnen an! Bestimmt sind Sie ein besonderer Kriminalist, bei Ihnen bleibt kein Mord ungeklärt, kein Verbrecher entkommt ungestraft, die Leute fürchten sich vor Ihnen. Ich nicht. Und je länger ich Sie anseh, desto mehr bedauere ich, daß ich die Frau Nele Schubart nicht doch in den Wald gebracht und erst dann das Mädchen geholt hab. Wenn ich gewußt hätt, daß ich auf einen Menschen wie Sie treff, dann hätt ich die Tat zu Ende ausgeführt, denn das wär Ihnen und Ihrer Gesinnung angemessen gewesen. So haben Sie es leicht mit mir. Und auch mit dem Mann, der die Nonne erwürgt hat. Warum hat er das getan? Ich hab alle Zeitungen gelesen, sie schreiben, er behauptet, die Nonne habe ihn dazu gezwungen. Wählte die Nonne den Freitod wie Frau Nele Schubart? Dann kommen Sie diesmal ja reibungslos voran! Der Mann ein Mörder, ich ein Mörder. Die Wahrheit wär der Welt nicht zuzumuten. Eine Bitte hab ich: Bevor Sie mich einsperren, möcht ich mich gern von meiner Frau verabschieden und ihr gestehen, daß ich sie angelogen hab, und sie um Verzeihung bitten. Bestimmt verzeiht sie mir, sie ist ein barmherziger Mensch, und die Barmherzigkeit, die hab ich in all den Jahren, in denen sie ihr Leben mit mir teilt, von ihr gelernt. Sie lehrte mich, vergeben zu können, und das hab ich versucht. Auch bei Frau Nele Schubart, das schwör ich Ihnen!«
    »Sie haben ihr einen Filzball in den Mund gesteckt«, sagte Fischer. »Wie hätte Nele Schubart um Vergebung bitten sollen, wenn sie nicht sprechen konnte?«
    »Oh, das wär leicht gewesen! Sie hätt mir ein Zeichen geben können. Zudem wollte sie schreien, das ertrag ich nicht! Das hat sie gewußt, ja: Ich mag nicht, wenn jemand schreit. Auch in der Absteige, wo wir uns getroffen haben, wollte sie schreien, und ich mußte ihr den Mund zuhalten. Sie hätt mir ein Zeichen geben können, ich hab darauf gewartet. Hat sie nicht getan!«
    »Haben Sie die Bergpredigt gelesen?«
    »Alles gefälscht!«
    »Bitte?«
    Badura betrachtete mit verächtlichem Gesichtsausdruck seine langen, rissigen Fingernägel. »Diese Dinge wurden später geschrieben, sie haben keine Bedeutung. Selig, die arm sind, weil ihnen gehört angeblich das Himmelreich. Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Denn wie ihr richtet«, sagte Fischer, »so werdet ihr gerichtet werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Das sind Worte aus der Bergpredigt. Sie fielen mir ein, weil Sie erklärt haben, Sie wollten Nele Schubart zur Rechenschaft ziehen.«
    Badura sah ihn an, nickte und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Haben Sie das Kellerschloß in der Tiefgarage aufgebrochen?« fragte Fischer.
    »Mit meiner
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