Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idol

Idol

Titel: Idol
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
einen Büchsenschuß von meinem eigenen Haus entfernt!
     – an einer so hochgestellten Person, die Seine Heiligkeit Papst Sixtus V. als seine Nichte betrachtete, begangen worden war.
     Noch ehe ich darüber nach Venedig berichtete, befahl ich dem Bargello, die Untersuchung mit größter Eile und ohne Ansehen
     jedwedes Beteiligten voranzutreiben.
    Im zweiten Stock des Palazzo Cavalli identifizierte der Bargello den Leichnam von Alfredo Colombani, Reitknecht im Dienste
     des Grafen Lodovico. Caterina Acquaviva gab zu Protokoll, er habe sie erst gezwungen, der Ermordung ihrer Herrin beizuwohnen,
     habe sie anschließend in ihr Zimmer im zweiten Stockwerk gezerrt, ihr die Hände losgebunden, sie nackt ausgezogen und sie
     vergewaltigen wollen. Dabei habe sie vorsichtig den Dolch, den er
à l’italienne
auf dem Rücken trug, aus der Scheide gezogen und ihm die Waffe mit aller Kraft unterhalb des linken Schulterblatts in den
     Rücken gestoßen. Er habe einen fürchterlichen Schrei von sich gegeben und sie zu erwürgen versucht, doch sie habe ihm ihre
     Finger in die Augen gekrallt und sich unter ihm aufgebäumt, so daß sie sich frei machen und ihn zu Boden werfen konnte; dann
     habe sie den Dolch aus der Wunde gezogen und ihn »wie eine Furie« mehrmals in seinen Körper gestoßen. Sie habe dies getan,
     um ihre Herrin zu rächen und weil Alfredo gedroht hatte, sie zu töten, sobald er seine Lust an ihr befriedigt hätte.
    Alfredo war im Erdgeschoß durch das Fenster der Spülkammer eingestiegen, so der Bericht des Mädchens, hatte sie überrumpelt
     und gefesselt, den Türhüter niedergestochen und dann der übrigen Bande das Tor geöffnet.
    Warum das besagte Fenster offenstand, wisse sie nicht, noch gelang es dem Bargello, diesen Punkt aufzuklären. Auf die Frage,
     warum die Banditen nicht auch sie getötet hätten, antwortete sie, Alfredo habe sie, als er sie sah, begehrt und zu seinen
     Kumpanen geäußert, er »spare sie sich zum Nachtisch auf«. Diese Erklärung schien uns plausibel, denn die Zeugin war ein sehr
     wohlgestaltes Mädchen, das, wenn auch recht gewöhnlich, in gewissen Kreisen für hübsch gelten mochte.
    Eine systematische Durchsuchung des ganzen Palazzo ergab, daß die Banditen allen Schmuck sowohl des verstorbenen Fürsten Orsini
     wie der Herzogin geraubt hatten, dazu ein herrliches, |457| reich mit Edelsteinen besetztes goldenes Brustkreuz, das Papst Sixtus V. seiner Nichte geschenkt hatte.
    Aus verschiedenen Indizien ging hervor, daß der Palazzo Cavalli von einer großen Bande heimgesucht worden war, weshalb wir
     vermuteten, Graf Lodovico und seine Helfershelfer seien im Verlauf der Nacht zurückgekehrt. Wir überprüften daraufhin alle
     Stadttore von Padua und stellten zu unserer Überraschung fest, daß zwar die Wache am Tor nach Venedig auf ihrem Posten war,
     die am Südtor dagegen nach dem Genuß von geschmuggeltem Wein in tiefem Schlaf lag. Als wir die Umgebung dieses Tores und vor
     allem die Straße nach Stra absuchten, fanden wir am Straßenrand die Abdrücke zahlreicher Hufe, was bewies, daß hier in der
     Nacht viele Pferde gestanden hatten.
    Der Schlaf der Torwächter und die noch frischen Spuren sprachen für sich. Im Morgengrauen ließ der Bargello durch einen Kundschafter,
     den er eilig nach Stra schickte, ermitteln, daß Lodovico und seine Bande am Vorabend in einer renommierten Herberge in Stra
     gezecht hatten. Von Stra nach Padua sind es nur einige Meilen, eine Entfernung, die ein gutes Pferd in derselben Nacht zweimal
     zurücklegen kann.
    Dem Bargello und auch mir war klar, daß zwar starke Verdachtsmomente gegen Lodovico sprachen, die Beweise sich aber auf eine
     einzige Zeugenaussage beschränkten, die er überdies mit Leichtigkeit anfechten könnte: »Wie hätte uns diese Verrückte in Padua
     sehen können, wo wir doch in Stra gezecht haben?«
    Daher beschlossen wir, uns tot zu stellen und das Gerücht zu verbreiten, die Untersuchung sei ergebnislos verlaufen. Wir gingen
     davon aus, daß Graf Lodovico seine Spitzel in Padua hatte und in den Palazzo Contarini, den er für drei Monate gemietet hatte,
     zurückkehren würde, sobald er erführe, daß man ihn nicht verdächtigte. Aber dazu mußten wir uns der Verschwiegenheit von Caterina
     Acquaviva und Marcello Accoramboni versichern. Was erstere anbetrifft, so war der verwitwete Bargello bereit, sie in seinen
     Dienst zu nehmen und entsprechend zu instruieren. Und letzterer war auf Grund seines Zustands kaum in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher