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Idol

Idol

Titel: Idol
Autoren: R Merle
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Worte sind genug gewechselt, Signora«, sagte Paganello. »Jetzt müssen Taten folgen.« Mit einem Satz
     war er bei der Signora, packte den Kragen ihres Hemdes, das er mit einem kräftigen Ruck bis zum Gürtel zerriß. Beim Anblick
     ihrer Brüste ließen die Soldaten ein zufriedenes »Oh!« hören, wie im Theater. Als Paganello einen Schritt zurücktrat, um sein
     Werk besser betrachten zu können, raffte die Signora schnell die Fetzen des Nachtkleids über der Brust zusammen und hielt
     sie mit beiden Händen fest. Sie sah Paganello zornfunkelnd an und sagte mit fester Stimme, beinahe befehlend:
    |454| »Tötet mich, wenn es denn sein muß, doch ich will nicht nackt sterben!«
    Ihr Blick und ihr Ton blieben nicht ohne Eindruck auf Paganello, denn anstatt sie weiter zu entkleiden, was zweifellos seinen
     Wünschen und denen der Soldaten entsprochen hätte, zog er seinen Dolch, als wolle er die Sache nun schnell zu Ende bringen.
    Beinahe flehentlich bat die Signora:
    »Ich bitte Euch, laßt mich erst beichten.«
    »Hier gibt es keinen anderen Beichtvater als mich«, sagte ein Franziskaner, der sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte.
    »Pater!« rief die Signora und stürzte voller Hoffnung auf ihn zu.
    Der Franziskaner trat in den Kreis und schlug die Kapuze zurück. Es war Graf Lodovico.
    »Ihr?« rief die Gräfin entsetzt. »Wohlan, so macht ein Ende!« befahl sie. »Tötet mich, erspart mir Eure Gegenwart und Eure
     Worte!«
    »Unter einer Bedingung kann ich Euer Leben schonen, Signora«, sagte Lodovico.
    »Jede Bedingung, die von Euch kommt, kann nur infam sein«, erwiderte die Signora hoheitsvoll. »Ich will sie nicht hören.«
    »Ich nenne sie trotzdem: Ihr könnt wählen zwischen dem Tod und mir.«
    »Dann wähle ich den Tod.«
    Lodovico wandte sich an die Soldaten: »Ihr habt es gehört, Kameraden. Die Signora entscheidet sich freiwillig für den Tod.«
    Doch die Soldaten schwiegen. Ich glaube, sie begannen den Mut meiner Herrin zu bewundern. Auch Lodovico spürte wohl, daß das
     Wortgefecht für ihn keine günstige Wendung nahm. Er näherte sich der Signora und riß ihr Fetzen für Fetzen das Hemd vom Leibe.
     Sie leistete keinen Widerstand, sah ihn nur verachtungsvoll an. Als sie nackt war, raffte sie ihr langes Haar vor dem Körper
     zusammen.
    Lodovico zog seinen Dolch.
    »Hilf mir, Paganello«, sagte er heiser.
    Paganello begriff, was von ihm erwartet wurde, und entwand |455| das lange Haar der Signora ihren Händen. Lodovico legte ihr seinen linken Arm um die Taille und preßte sie so fest an sich,
     daß sie sich nicht mehr rühren konnte. Dann stieß er ihr seinen Dolch kräftig, aber nur bis zur Hälfte unter der linken Brust
     in den Leib. Während er die Klinge in der Wunde bewegte, fragte er die Signora, ob er ihr »Lust bereite«. Sie hatte die Augen
     halb geschlossen und stöhnte. Als ihr Stöhnen schwächer wurde, jagte Lodovico ihr den Dolch bis zum Stichblatt in die Brust
     und schrie:
    »Diesmal treffe ich Euch ins Herz, Signora!«
    Sie drehte ihm den Kopf zu, öffnete weit die Augen und flüsterte im Sterben:
    »Gesù, vi perdono!«
1
     
     
    Baldassare Tondini, Podestà von Padua:
     
    Am 24. Dezember 1585, kurz vor Mitternacht, klopfte ein junges Mädchen in einem blutbefleckten Nachthemd an die Tür des Bargello
     und sagte, die Herzogin von Bracciano sowie all ihre Diener – mit Ausnahme von zweien, die Marcello Accoramboni, den Bruder
     der Herzogin, zu Margherita Sorghini geleitet hatten – seien ermordet worden.
    Sie selbst heiße Caterina Acquaviva, sei achtundzwanzig Jahre alt und seit zehn Jahren bei der Herzogin in Stellung.
    Da sie völlig außer sich war, nur schrie und weinte und ganz wirr redete und zudem den Grafen Lodovico, von dem wir wußten,
     daß er am selben Morgen mit seiner berüchtigten Bande nach Venedig aufgebrochen war, dieser Morde beschuldigte, glaubte der
     Bargello zunächst, sie sei geistesgestört. Ihr Hemd allerdings war tatsächlich blutbefleckt, und ihre Handgelenke waren von
     den Stricken zerschunden, mit denen man sie ihrer Aussage zufolge gefesselt hatte, so daß der Bargello beschloß, sich mit
     einem Dutzend seiner Sbirren an den Ort des Geschehens zu begeben.
    Er fand alles so vor, wie Caterina Acquaviva es beschrieben hatte, und ließ mich unauffällig im Stadthaus benachrichtigen,
     wo ich jedes Jahr am Weihnachtsabend einen Ball gebe. Ich |456| eilte sofort hin und war entsetzt über dieses dreiste Massaker, welches – nur
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