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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Platz neben Lovisa ist vorübergehend unbesetzt. Emelie ist mit ihrer Familie letzte Woche mit einer heftigen Magen-Darm-Grippe von Bali zurückgekommen. Emelies Mutter soll sogar im Krankenhaus am Tropf hängen. Wie auch immer, Emelies Tisch steht am Fenster, in der zweitletzten Reihe, ein selbstredend belegter Platz, den man sich besser nicht ausguckt, wenn man neu in die Klasse kommt, auch wenn er leer zu sein scheint. Ein eventuell ranghöherer Platz ist höchstens der von Sven, gleich dahinter.
    Ich würde den Platz neben Oskar wählen. Ich meine, Line ist eine offensichtliche Loserin, und wer den Platz ganz hinten in der Ecke wählt, hat wahrscheinlich ein Problem mit dem Selbstbewusstsein. Den Fensterplatz würde ich nicht einmal in Erwägung ziehen, der ist tabu, damit bleibt nur noch der neben Oskar. Im Grunde genommen eine ganz logische Wahl, wenn man ein bisschen Zeit zum Nachdenken hat.
    Aber Silja spielt nach anderen Regeln. Oder rafft nicht, was Sache ist. Oder scheißt drauf. Ich weiß es nicht, aber ich und vierundzwanzig andere Augenpaare sehen staunend zu, wie sie auf die zweitletzte Bankreihe und den freien Fensterplatz zusteuert, sich hinter Lovisa vorbeischiebt und den Stuhl vorzieht. Emelies Stuhl. Lovisa ist so überrumpelt, dass sie keinen Laut rausbringt, ehe Silja neben ihr sitzt.
    »Da sitzt schon jemand«, sagt Lovisa, und man kann hören, dass sie mit der Fassung ringt.
    »Das muss aber ein ganz schöner Winzling sein«, sagt Silja seelenruhig und bleibt sitzen.
    »Die ist ja schräg drauf«, flüstert Madeleine hinter uns.
    Tonja zuckt amüsiert mit den Schultern, gespannt, wie es weitergeht.
    Zu unserem Erstaunen wendet sich Lovisa an Britt.
    »Also, bloß weil Emelie krank ist, kann sie doch nicht einfach …«
    »Na ja«, sagt Britt und muss ein Grinsen zurückhalten. »Im Moment braucht Emelie den Platz ja nicht.«
    Silja lehnt sich zurück und tut so, als würde sie nicht merken, dass Lovisas frustriertes Gesicht neben ihr sich zu einer Gewitterwolke verfinstert.
    Britt fängt an, über Gleichungen zu reden, und wir schlagen Seite dreizehn in unseren Mathebüchern auf. Die ganze Stunde ist geprägt von Siljas ungewöhnlichem Einstand. Die Klasse kommuniziert über Flüstern und SMS miteinander und Britt leitet mehr Sätze als gewöhnlich mit »Ja also« ein.
    Irgendwann piekt Sven Silja von hinten mit seinem Bleistift an der Schulter. Er sagt leise etwas zu ihr, worauf sie lacht und ihm etwas antwortet. Sven lacht ebenfalls. Und jeder in der Klasse hat’s gesehen.
    »Wenn Em das erfährt«, flüstert Madeleine aufgeregt.
    Linnéa schickt einen zusammengefalteten Zettel zu Clara, die ihn nach dem Lesen an Ellen weitergibt, die ihn Madeleine zeigt.
    »Tonja!«, flüstert Madeleine. »Ihr sitzt näher dran!«
    Sie reicht den Zettel nach vorne, ohne Britt zu bemerken, die plötzlich neben ihr steht. »Dieser Zettel ist offenbar für die ganze Klasse bestimmt«, sagt sie. »Wenn du also so freundlich wärst, ihn vorzulesen, damit alle es hören und wir uns endlich wieder den Gleichungen widmen können. Bitte schön, Madeleine!«
    Das würde kein anderer Lehrer tun, aber Britt fährt den gleichen Stiefel wie wahrscheinlich schon seit ihrem Karrierebeginn an dieser Schule vor dreißig Jahren.
    Madeleine windet sich, weiß aber genau, dass es keinen Sinn hat, sich zu weigern.
    »Sie trägt keinen BH, oder?«, liest sie schnell.
    Einige grinsen und Britt zieht die Augenbrauen hoch. Schräg hinter ihr steht Silja von ihrem Stuhl auf.
    »Krass«, sagt sie. »Ist das das Erste, was euch interessiert, wenn ihr jemandem zum ersten Mal begegnet?«
    Sie knotet ihr Hemd auf und öffnet es. Und sie trägt tatsächlich keinen BH. Ihre üppigen, runden Brüste haben markante Brustwarzen.
    Manche Menschen sehen nackter aus als andere, wenn sie sich ausziehen. Silja gehört dazu. Vielleicht liegt das daran, dass ihre Brüste im Vergleich zum übrigen Körper so weiß sind. Ein nicht vorhandenes Bikinioberteil zeichnet sich deutlich ab. Nach der ersten Schrecksekunde sind Pfiffe und Jubel zu hören. Silja knotet das Hemd wieder zu und setzt sich.
    »Die Gleichungen«, hilft sie Britt freundlich auf die Sprünge, die zu verblüfft ist, um zu reagieren. »Ich kapiere im Prinzip nichts, also, strengen Sie sich an!«
    Tonja strahlt übers ganze Gesicht.
    »Ist die cool oder einfach nur durchgeknallt?«, flüstert sie.
    Ich zucke mit den Schultern. Aber eins ist sicher: Das neue Schuljahr wird definitiv
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