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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Autoren: Nina Lacour
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verrät, wer da drinsitzt. Ich stolpere unbeholfen auf das Auto zu, während alle anderen vorbeifahren, um sich bei Starbucks oder in der Mall zu treffen. Ich schmeiße meinen Rucksack auf den Rücksitz und steige ein.
    »Warum arbeitest du nicht?«, frage ich und sacke in mich zusammen, damit mich keiner sieht.
    Mom hat einen höchst präsidentenhaften Namen – Margaret Carter-Madison –, und obwohl sie nur eine kleine Grundschule leitet, stehen die Leute Schlange, um mit ihr zu reden. Es ist unglaublich, womit sie sich herumschlagen muss: mit Eltern, die sich um die planmäßige Entwicklung ihres sechsjährigen Kindes Sorgen machen; mit dieser bekloppten Lehrerin MrsSmith, die darauf beharrt, dass es niemals Dinosaurier gegeben hat; mit regelmäßig auftretenden Läuse-Epidemien – manchmal frage ich mich, wie sie diesem Druck standhält. Aber irgendwie schafft sie es immer, gelassen zu bleiben. Ihre Stimme ist leiser als die der meisten Menschen, deshalb muss man sehr aufpassen, wenn man ihr zuhört.
    Sie antwortet nicht, deshalb sage ich: »Ich dachte, wenn du die Riverbank-Grundschule vor sieben Uhr verlässt, würde alles im Chaos versinken.«
    »Na ja, es ist dein erster Schultag.« Sie klingt etwas zu fröhlich.
    »Und was genau soll das heißen?«
    »Ich hab gedacht, wir gehen zu unserem Lieblingsjapaner. Du hast gerade mit der zweiten Hälfte deiner Highschool-Laufbahn begonnen. Das sollten wir feiern.«
    Bei ihren Worten winde ich mich innerlich. Ich weiß nicht, warum sie sich so schrecklich abmüht. Was soll das –
unser Lieblingsjapaner
? Wir waren da schon seit ewigen Zeiten nicht mehr. Bevor sie Schulleiterin wurde und ganztags arbeitete, sind wir manchmal dorthin gegangen. Damals durfte ich noch die Kinder-Bentobox bestellen. Ich weiß jetzt nicht, was ich dazu sagen soll, deshalb klappe ich das Handschuhfach auf und wühle darin herum, nur damit ich etwas zu tun habe. TicTacs. Eine alte Sonnenbrille. Die Betriebsanleitung für das Auto.
    Ich steck mir ein TicTac in den Mund und biete Mom auch eins an. Sie nimmt es. Ich stecke mir immer neue TicTacs in den Mund und zermalme sie mit den Zähnen. Feiner Staub mit Pfefferminzgeschmack. Als wir vor dem Restaurant anhalten, habe ich alle aufgegessen. Ich werfe die leere Schachtel ins Handschuhfach und steige aus.
    Drinnen ist nichts los – zu spät fürs Mittagessen, zu früh fürs Abendessen. Mom und ich sind die einzigen Gäste, und so was hasse ich. Wenn keine anderen Gäste in einem Restaurant sind, denke ich immer, wenn wir jetzt nicht hier wären, könnten die Kellner essen oder schwatzen oder telefonieren oder die Musik aufdrehen. Ich fühl mich dann so, als würden wir ihnen die Freizeit klauen. Besonders schrecklich finde ich es, wenn sie in einer Ecke zusammenglucken und darauf lauern, dass sie Wasser nachschenken können. Während wir die Speisekarten studieren und bestellen und heißen grünen Tee aus einer Metallkanne in winzige Tässchen gießen, merke ich, dass Mom eine Rede vorbereitet. Ich weiß nicht, woher ich das weiß, aber ich hab es irgendwie im Gefühl. Sie sieht mich immer wieder an und lächelt.
    »Mit wem hast du heute in der Cafeteria gegessen?«
    Ich nehme mein Tässchen hoch und will einen Schluck trinken. Zu heiß. Ich stelle es wieder hin und stiere auf den nassen Ring auf dem Papierset.
    »Rate mal«, sage ich.
    Sie rät nicht.
    Ich fahre mit der Fingerspitze den Kreis nach. »Na, komm schon. Ist doch sonnenklar.«
    »Nicht für mich.«
    Ich verdrehe die Augen. »Ist doch sonnenklar, dass ich mit niemandem gegessen habe.«
    Moms fröhliche Laune verebbt.
    »Caitlin.«
    Sie sagt ständig meinen Namen, aber diesmal klingt es anders. Es hört sich total enttäuscht an, als hätte ich die Wahl gehabt, als hätte eine Million Kids Schlange gestanden, um mit mir zu essen, und ich hätte:
Nee, tut mir leid, ich ess lieber allein,
gesagt.
    »Was ist denn?«, fauche ich, aber sie sagt nichts mehr.
    Nach ungefähr zwei Sekunden Wartezeit kommt der Kellner mit unserem Essen. Ich starre die riesige Bentobox an, die ich bestellt habe, randvoll mit Tempura und Geflügel-Teriyaki und California Rolls. Eigentlich hätte ich immer noch lieber die Kinderportion bestellt. Da bekommt man genau dasselbe, nur kleinere Mengen. Ich esse eine Tempura-Möhre und bin satt.
    »Meine Freundin und Kollegin Margie kennt einen ausgezeichneten Therapeuten. Ihre Tochter geht richtig gern zu ihm.«
    »Was stimmt mit Margies Tochter nicht?«
    »Bei
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