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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon
Autoren: Sally Perel
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die Freude, eine Karte meiner Eltern zu
    erhalten. Auf diese Weise erfuhr ich, daß sie wohlauf waren,
    mein Bruder David freigelassen worden und ins Ghetto ge-
    kommen war und die Auserwählte seines Herzens, Pola Ros-
    ner, geheiratet hatte. Mit zitternder Hand antwortete ich mit
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    langen Briefen, die ich an folgende Adresse richtete: Familie
    Perel, Franziskanskastraße 18, Ghetto Litzmannstadt.
    Unterdessen war ich in die kommunistische Jugend, den
    Komsomol , aufgenommen worden. Noch konnte ich nicht wissen,
    daß ich in absehbarer Zeit einem ganz anderen Jugendverband
    angehören würde.
    Von den Pionieren , den Jüngsten, in den Komsomol des
    Waisenhauses aufzurücken, war nicht einfach für mich: Arglos
    und vertrauensselig hatte ich nämlich in das Aufnahmeformular
    geschrieben, daß mein Vater Kaufmann sei. Damit bekannte
    ich naiv, nicht aus dem Proletariat zu stammen.
    Im Sekretariat unseres Komsomol wurde das Problem tat-
    sächlich ernsthaft erörtert. Ich war zwar kleinbürgerlicher
    Herkunft, doch da ich »hervorragende schulische Leistungen
    und Eifer in allen Fächern« zeigte, einigte man sich auf einen
    Kompromiß und gestand mir eine einmonatige Probezeit im
    Komsomol zu.
    Nach Ablauf dieser Frist wurde ich vor die Aufnahme-
    kommission zitiert. Da ich durch meine Wortgewandtheit zu
    überzeugen vermochte und meine Eignung glaubhaft machen
    konnte, wurde ich schließlich in die Organisation aufgenom-
    men, der anzugehören ich mir so heftig gewünscht hatte. Der
    Tag der feierlichen Aushändigung der Parteiausweise war ein
    wahrer Festtag für mich.
    In Peine hatte ich Am Damm 1 gewohnt, und in der
    linken Nachbarschaft, Hausnummer 6, befand sich das Ko-
    lonialwarengeschäft des Herrn Kratz. Er war auch Sekretär
    der KPD-Ortsgruppe Peine. Fast jeden Morgen schickte mich
    Mama zu ihm, um frische Brötchen und Milch zu holen, und
    immer bekam ich von ihm ein warmes Morgenglättchen über
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    meine Haare und ein Hammer- und Sichelabzeichen auf die
    Brust. Ich mochte es sehr. Und natürlich war meine volle
    kindliche Sympathie mit seinen roten Glaubensgenossen, als
    ihre Versammlungen im Volkshof von den mit Lastwagen
    angefahrenen braunen SA-Horden gesprengt wurden. Die
    darauf stattfindenden Straßenkämpfe waren blutig, und
    meinen Segen bekamen immer die Peiner Kommunisten.
    Eines erschien mir seltsam: Immer wenn die Polizei endlich
    ankam, wurden die Angegriffenen verhaftet und nicht die
    braunen Vandalen.
    Dann verließ ich Peine, meine freundliche Kinderstätte, und
    kam mit der Familie nach Lodz. Meine ersten Freunde dort,
    Jakob und Jerzyk, kamen aus Familien, die der extrem linken
    sozialistischen jüdischen Bund -Partei angehörten, und so wol te
    das Schicksal eine weitere Fortsetzung der Weltanschauung
    des Genossen Kratz aus Peine. Ich besuchte fast regelmäßig
    den Kulturklub der Bewegung und nahm sogar aktiv Anteil
    an den verbotenen Demonstrationen am 1. Mai. Nun sollte
    es nicht anders sein, und nach der aufgezwungenen Flucht
    vom Elternhaus kam ich in das sowjetische Kinderheim in
    Grodno, und schon das erhaltene weiße Hemd mit der roten
    Pionierkrawatte und die täglichen Lektionen über Marxismus-
    Leninismus fielen fruchtbar auf schon so gut gedüngte Erde:
    Sally wurde zu einem überzeugten Klassenkämpfer für die
    bessere Zukunft der Menschheit!
    Unser Waisenhaus wurde vom Panzerregiment der Roten
    Armee unterstützt. Regelmäßig verbrachten wir die Abende in
    Gesellschaft der Offiziere und Soldaten der Einheit, von denen
    wir so herrliche Lieder wie Kalinka oder Katjuscha lernten.
    Später habe ich diese Lieder mit meinen Kampfgenossen des
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    Palmach während des israelischen Unabhängigkeitskrieges auf
    hebräisch gesungen.
    An diesen Abenden wurden freundschaftliche Verbindungen
    zwischen den Waisenhauszöglingen und den Regimentssoldaten
    geknüpft. Sie luden uns manchmal ein, zum Militärstützpunkt
    zu kommen und bei verschiedenen sportlichen Ereignissen
    mitzumachen oder zuzuschauen. All dies half mir, meine
    Traurigkeit zu überwinden.
    Bisweilen nahmen sie uns in das Kino der Stadt mit, wo
    russische Filme gezeigt wurden. Eines Tages sahen wir Auf
    der Suche nach dem Glück , einen Film über die Juden von
    Birobidschan. Ich verstand nichts, weder, um welche Juden es
    hier ging, noch, wie sie dorthin geraten waren. Doch wurde
    in manchen Szenen jiddisch gesprochen, worüber ich mich
    freute. Ich nahm mir vor, eines Tages die unbekannte jüdi-
    sche
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