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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon
Autoren: Sally Perel
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habe den Unterschied zwischen einem Juden und
    einem Nichtjuden nie begriffen, wie sollte ich da den Un-
    terschied zwischen einem Juden und einem anderen Juden
    begreifen!
    Peine war keine moderne Stadt, doch der technische Fort-
    schritt machte sich auch hier langsam bemerkbar. So erinne-
    re ich mich noch sehr gut daran, mit welcher Begeisterung
    wir Kinder die ersten Automobile begrüßten. Sie ähnelten
    Kutschen ohne Pferde und hatten eine riesige Hupe neben
    dem Lenkrad. Wir liefen ihnen in Horden hinterher, immer
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    darauf erpicht, die »schwarze Birne« zu drücken, damit sie
    hupte und hupte …
    Damals trübte kein Wölkchen meinen glücklichen Kin-
    derhimmel. Nichts deutete für uns auf eine ereignisschwere
    Zukunft hin. Und doch sollten in den dunklen Jahren, die
    herankamen, fünfzig Millionen Menschen aller Herren Länder
    ihr Leben lassen, und die Shoa , der planmäßige Mord an den
    europäischen Juden, unsere Geschichte bald tief erschüttern.
    Am 30. Januar 1933 übernahm die nationalsozialistische
    Partei unter ihrem Führer Adolf Hitler in Deutschland die
    Macht.
    Ein »schwarzbrauner« Totentanz begann: schwarz und braun
    wie die Nazi-Partei, blutrot wie das Dreiecksemblem der SS,
    SA und Hitlerjugend.
    Zum Schutz der nationalsozialistischen Partei, die er gera-
    de ausbaute, hatte Hitler bereits 1921 die Schaffung der SA,
    der Sturmabteilung, erreicht. In die SA traten vornehmlich
    ehemalige Soldaten ein, Männer, die sich in die Gesellschaft
    nicht mehr eingliedern konnten. Der verlorene Erste Weltkrieg
    hatte sie verbittert. Sie sollten Unruhe stiften, die Versamm-
    lungen gegnerischer Parteien sprengen und gleichzeitig umge-
    kehrt für den reibungslosen Ablauf von Parteiversammlungen
    der Nazis sorgen. Sie verbreiteten Angst und Schrecken und
    leisteten auf diese Weise ihren Beitrag, die Demokratie der
    Weimarer Republik ohnmächtig erscheinen zu lassen und sie
    damit auszuhöhlen. Nachdem Hitler und seine Freunde fest
    im Sattel saßen, überließ er der SA die »Schmutzarbeit«: die
    Verfolgung und »Liquidierung« der Regimegegner und Juden.
    Die SS, 1925 geschaffen, war der SA unterstellt – formal.
    Tatsächlich begriff sie sich aber als eigenständig, als Leibgarde
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    Hitlers. Das wurde sie 1934 dann auch offiziell, direkt dem
    Führer unterstellt. Himmler trat an ihre Spitze. Sein Macht-
    apparat umfaßte überdies die Geheime Staatspolizei, Gestapo,
    den Sicherheitsdienst, SD, dem die Konzentrationslager unter-
    standen, und die »Einsatzkommandos«, die in den besetzten
    Gebieten operierten und dort Männer, Frauen und Kinder
    töteten.
    1926 wurde die Hitlerjugend gegründet. Diese Organisa-
    tion war aktiv an Straßenschlachten, Demonstrationen und
    allen Veranstaltungen beteiligt, die die Überlegenheit des
    Nazi-Terrors unter Beweis stellen sollten. Die »Elite« wurde
    nach Körpergröße, nordischem Erscheinungsbild und arischer
    Reinblütigkeit für die SS ausgesucht.
    In Peine indes nahm das Leben seinen Fortgang, dabei
    verdüsterte sich die Lage zusehends. Doch uns Kinder berühr-
    te das wenig. Nichts konnte uns davon abhalten zu spielen
    und wie wild durch die Stadt zu jagen. Zweifellos besaß ich
    nicht die nötige Reife, um die Gefahr, die auf uns lauerte,
    einschätzen zu können, zumal mein Vater wie viele andere der
    Meinung war, dieser »Verrückte« werde sich nicht halten und
    wahrscheinlich keine achtzig Tage regieren. Die Warnrufe, die
    manche ausstießen, verhallten wie Rufe in der Wüste.
    Zwei Jahre später bekam ich die Verfolgung zum ersten Mal
    am eigenen Leib zu spüren: In Anwendung der Nürnberger
    Rassengesetze wurde ich 1935 von der Schule verwiesen. Das
    tägliche Leben gestaltete sich immer schwieriger und gefährli-
    cher. Mehrmals wurde mein Vater zu Zwangsarbeiten bei der
    Straßenreinigung und bei der Mül abfuhr herangezogen. Die SA
    boykottierte jüdische Geschäfte, zerschlug die Schaufensterschei-
    ben und machte sich anderer Gesetzesübertretungen schuldig.
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    Der Schraubstock des Terrors, der unsere physische Exi-
    stenz bedrohte, umschloß uns immer enger. Meine Familie
    entschied sich, Deutschland nun unverzüglich zu verlassen.
    Den Großteil unseres Besitzes mußten wir übereilt und
    zu Summen verkaufen, die diesen Namen nicht verdienten.
    Praktisch mittel os emigrierten wir nach Polen und ließen uns
    in Lodz nieder. Den ersten Unterschlupf bot uns Tante Clara
    Wachsmann, die jüngere Schwester meiner Mutter.
    Es war nicht
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