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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz
Autoren: Arne Piewitz
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frage, und sie gibt mir ihre Telefon-Nummer. Mir fällt ein — ich weiß gar nicht, wie sie heißt. Habe bei dem Anruf ihren Namen nicht verstanden. Letzte Möglichkeit, das auszubügeln — beim nächsten Mal wird’s sonst peinlich. »Wie heißt du eigentlich?«
    Da können wir sogar beide zusammen lachen. Sie ist allerdings schon wieder bedenklich nahe am Kreischen. Ich verstehe ihren Namen erst, als sie ihn zum dritten Mal nennt: »M.«.
    »Na denn, tschüß, M.«. Kuß. »Tschüß, Arne«. »Ich melde mich bei dir, wenn ich wieder da bin.« Kuß. »Wiedersehn.« Tür auf, Tür zu, Treppen runter. Fünf Tage Brokdorf, wir haben viel vor. Blinzle ins Tageslicht, geh los. Nach drei Schritten habe ich M. vergessen.

    Die Action am Bauzaun war relativ hart. Komme einen Tag früher als geplant zurück. Schlafe ’ne Runde, geh was essen, treffe da einen von den Typen, mit denen ich manchmal Fußball spiele. Heißt Erwin. Komme mit ihm ins Quatschen, er ist ziemlich fertig. Die Freundin ist ihm von der Fahne gegangen. Er erzählt mir, er hat auf eine Anzeige im Oxmox geantwortet, wo eine linke Frau unmännliche Männer sucht. »Und?« frage ich. »Hab mich mit ihr getroffen«, sagt er, »ganz nett«. »Und?« frage ich wieder. »Nix und« sagt er, »bin zu spät gekommen. Erst waren wir im Kino, und den Rest des Abends hat sie von dir gesprochen.« »M., ja?« — »M., ja.«
    Interessant. Sie hat ja wohl 15 oder 16 Briefe auf ihre Anzeige bekommen. Ob sie sich die Schreiber nacheinander alle vornehmen will? — Ich nehme mir vor, sie nicht darauf anzusprechen. Mal sehen, ob sie von selbst was sagt.
    Heute abend ficken wäre nicht schlecht. Ich rufe sie an.

    Umarmung, Kuß. Warnblinkleuchte geht an: Vorsicht, Alter, das läuft schon zu selbstverständlich, das ist schon beinahe wie »nach-Hause-kommen«, da lauert eine Krake hinter der Tür auf dich. Oder zumindest ein Tintenfisch. Ohne Alkohol schmeckt mir der nicht, die kleine Dröhnung muß sein; wenn ich ein paar Bier im Bauch habe, kriegt auch die härteste Frau ein paar weibliche Linien. »Leewenzahn?« — »Gut.«
    Wir sitzen noch nicht ganz, das Bier ist noch nicht mal bestellt, geht’s schon los. Ich steh ja auf Impulsivität, und wenn jemand spontan seine Wut rausläßt, dafür habe ich echt Verständnis. Da fängt für mich überhaupt erst Lebensqualität an, wenn alle Leute das ohne Ängste tun können. Aber wir haben uns ein paar Tage nicht gesehen, ich habe noch nicht mal richtig Luft geholt, ich habe kein Wort erzählt, wie’s war, da kommt sie schon ganz cool, mit diesem freundlichen, aber harten Diskussionston, der immer was von Aufforderung zur Rechtfertigung in sich hat, mit diesem vernichtenden Ton, der sich so angestrengt um Objektivität bemüht, dabei immer das von der Kanzel verkündete Urteil enthält, sie kommt mit diesem üblen Ton, der sich nicht zwischen Rasiermesser und Vorschlaghammer entscheiden kann, und der in seiner vorgeführten Zurückhaltung so aggressiv ist, wie es nur Schlußfolgerungen ohne vorangegangene Diskussion sein können; dieser ekelhafte Tribunalton, wo dem Vorredner, oder eben am Biertisch dem Gesprächspartner, allein schon durch die Sprachmelodie klargemacht wird, daß er ein intellektuelles Defizit hat und daß er offensichtlich zu dämlich ist, zur Lösung der anstehenden Probleme irgend etwas beizutragen — dieser Schweineton hat mich schon oft vom Tisch oder aus einem Saal getrieben. Sie kommt mit diesem unerträglichen Politmackerton:
    »Also: ich muß mit dir unbedingt über dein Verhalten neulich im Bett reden. Ich ärgere mich schon, daß nicht wir miteinander reden müssen, sondern daß ich mit dir reden muß. Du würdest ja wohl von alleine nicht auf die Idee kommen. Für dich ist das ja kein Problem. Wir haben ’ne Beziehung und ich hab die Probleme. Und ich als Frau bin mal wieder dafür zuständig, das erste Problemgespräch unserer drei Tage alten Beziehung zu initiieren!«
    Ich produziere ein stoned face, sehe sie an, lasse mir Zeit.
    Über mein Verhalten will sie reden, ihrs war offenbar in Ordnung. Daß »wir« nicht reden müssen, bzw. daß nicht auch ich mir ihr reden muß, behauptet sie einfach erstmal so. Daß ich nicht von allein auf »die Idee« komme — falsch, aber sie verkündet das erstmal. Für mich ist das kein Problem — sie posaunt das raus ohne jeden Beweis. Und daß sie für irgendwas »zuständig« sei, ist auch ein Irrtum. Richtig ist nur, daß wir uns seit drei Tagen
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