Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz
Autoren: Arne Piewitz
Vom Netzwerk:
bei jemandem, der sich seine eigenen Fotos an die Wand hängt. Eine Bauchladenmentalität, stets bereit, ein Stück von sich zu verhökern.

    Ich lese:

    wochen
    möchte ich verbumsen
    in schweißpfützen
    schwimmen
    im schwammigen Sumpfe
    mein hinterteil
    hart zerberstend
    dem lieben herrgott
    die tage versauen

    Tja. Na ja. Na gut, sie studiert ja noch. Und der liebe Gott interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht die Bohne. Sie steht hinter mir, ich drehe mich um, sie steht vor mir. Kuß, Umarmung, die Pause ist vorbei, der Nachmittag wird fortgesetzt. The same procedure as last year, Madame? The same procedure as every year.
    Sie ist zierlich. Schmale Schultern, sehr weiße Haut, Sommersprossen. Hochklassiger Busen (schade, daß du nicht drei davon hast...). Vorsicht, das kann mal ’ne Wampe werden! Oberschenkel standfest, schöne lange Beine. Arsch eine Idee zu flach. Zittern ihr die Knie? Das hat man selten — sie zittern. Sie will es wissen, sie ergreift die Initiative, gottseidank, ich kann es überhaupt nicht ab, wenn ich erst Nachhilfeunterricht geben muß. Bin ein schlechter Ringkämpfer. Sie macht das sehr zielstrebig, aber nicht hastig. Gut, gut. Recht erfahren, die junge Frau. Weiß auch genau, womit sie einem eine Freude machen kann. Sie nutzt das aus, mischt mich auf, und wenn sie so weitermacht, geht gleich alles in die Hose. Sie hat’s nötig, ich hab’s nötig. Gerade denke ich »nun wird’s aber Zeit«, da fragt sie: »Nimmst du die Pille?«

    Das ist stark. In dieser Situation solch hochentwickelter Sinn für feinste Ironie, das ist echt stark. Ich weiß im Moment gar nicht, was ich sagen soll, ich finde, das hat irgendwie Format, wenn eine Frau das Thema Verhütung so angeht. Na ja, ein bißchen eher hätte sie’s natürlich tun können, jetzt haut die Frage ziemlich herbe in die Stimmung rein.
    Immerhin, die Frage ist wesentlich witziger, als man das von den meisten Leuten in dieser Lage erwarten darf. Mir fällt nichts anderes ein, als »nö« zu sagen.
    Sie guckt mich an, ist schlagartig voll anwesend, knallhart, fünf Jahre Frauengruppe sehen mich militant an: »Ich auch nicht!« Der Prüfling ist durchgefallen, leider können wir ihm die TÜV-Plakette nicht aushändigen, dem Versager, Sie haben leider versäumt, mein Herr, sich rechtzeitig und profülaktisch mit Gummimützchen für ihren Schnippedillerich zu versorgen. Haben Sie wenigstens jetzt ein schlechtes Gewissen?
    Na klar, Verhütung ist die Sache von beiden. Muß man sich drüber unterhalten, wer wie wann was. Weiß ich auch. Kein Grund, mich hier so vorzuführen. Ihr Blick ist so fischig — ob sie es sich richtig vorgenommen hat, ihre Emanzipation auf dieser Ebene zu demonstrieren? Habe ich es mit einer ganz gewieften Taktikerin zu tun? Scheiße, ich kann doch jetzt keine Diskussion anfangen. Die Lösung dieses Problems kann wirklich eine halbe Stunde warten.
    Ich nehme sie wieder in den Arm, fange wieder von vorne an, the same procedure. Ich brauche keine Gewalt, sie ist willig. Wir schmusen uns wieder hoch. Wir passen gut zusammen, die Bewegungen sind bestens koordiniert, als wären wir ein schon lange eingespieltes Paar. »Pille«, denke ich, »na und?« Wenn wir uns in netter Form befingern, das ist auch in Ordnung. Ich muß ihn ihr nicht unbedingt reinstecken, ein freundlicher Händedruck tut’s auch. Fleißige Patschhändchen hat sie, sehr einfühlsam. Die Geilheit knipst den Verstand aus. Sie sagt »ich habe meine Tage«. Na prima, dann geht’s doch. Mir macht das nichts aus. Warum fängt sie dann erst mit ihrer dämlichen Pille an...?
    Wir ficken. Sie kommt wie die Feuerwehr. Das Bett schwimmt. Irgend jemand müßte mal den Stöpsel aus der Matratze ziehen. Ich bin völlig geschafft. Ob ich jetzt lieber nach Hause verschwinde? Ach was, war doch schön...
    Sie steht elend früh auf. Muß um 8.00 auf der Arbeit sein. Frühstück. Was gibt’s? Richtig! Parfümierten Tee. Wenn sie will, daß wir noch mehrmals miteinander frühstücken, muß sie sich einen anderen Tee zulegen. Wenn ich selbst welchen mitbringe, hat das sowas Bindendes. Dann kann ich auch gleich meine Zahnbürste in ihren Becher stellen. Sie ist emsig und gut gelaunt. Lacht ein bißchen viel, lacht auch ein bißchen zu laut. Sagte ich ein bißchen? Sie lacht entschieden zu laut. Wenn jemand so laut loslacht, hat er Schwierigkeiten, unter den verschiedenen Graden von Komik zu differenzieren. Sie lacht über alles, und über alles zu laut.

    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher