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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz
Autoren: Arne Piewitz
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verlieren. Wenn man nicht ganz fest auf eine Frau fixiert ist, kommt man ohne einen gewissen Sexual-Fundus nicht klar. Denn das übelste ist eigentlich dieses Loshühnern am Abend, diese Anmachversuche, diese tranig-traurigen Blicke quer über einen Tresen hin; besoffen sein, aber keinesfalls die Kontrolle verlieren, und dann natürlich dieser, na, ich nenne es mal Standesdünkel: nie selbst jemanden anmachen. Aber immer so dastehen, daß es jeder Frau leicht fällt, dich ohne große Anstrengungen anzumachen. Nebenbei eben, eher unabsichtlich, keine gezielte Anmache, jedenfalls darfst du dir nicht anmerken lassen, daß du weißt, daß es sich um eine gezielte Anmache handelt. Es muß sich irgendwie ergeben, und plötzlich sind eben beide angemacht. Jedenfalls, jede Frau muß die Chance eingeräumt kriegen, dich anzumachen. Und die sich daraus ergebenden »Beziehungen«, die müssen auch gepflegt werden. Ich denke, es wäre unverantwortlich leichtsinnig, auch nur eine einzige wegen M. aufzugeben. Hier ein Telefonat, da ein kurzer Besuch, und immer ein Signal versenden, daß man durchaus auch nachts zur Verfügung steht: das muß man unbedingt auch auf unserer linken Piste beherrschen, will man als Meister der pflegeleichten »Beziehung« gelten. Wobei ich gar nicht sagen will, daß ich nun unbedingt jeden Abend mit einer anderen unterwegs sein muß. Dazu fühlt man sich ja auch am nächsten Morgen dann oft zu mies. Kann gar nicht so lange duschen, wie man sich ekelt. Manchmal ist es echt besser, zu Hause zu bleiben, Steve Reich aufzulegen oder sowas, und sich zuzukiffen. Früher habe ich mir mit Begeisterung Pink Floyd reingezogen, »Wish you where here«, das ist die wahnsinnigste Kiffer-Onanier-Musik, die’s gibt, alle Frauen, die du kennst, kannst du dir dabei der Reihe nach durchwichsen, das ist natürlich wesentlich befriedigender als so eine Durchschnittsfickerei mit geschlossenem Bierkopf.
    Ob M. gern was Gutes raucht? Ich muß sie fragen. Aber wer so laut lacht, wer so kreischt, wer so hektisch ist...
    Nein, ich glaube nicht. Da ist wohl wenig Hoffnung.
    »Interessieren dich Träume?« frage ich. »Hast du von mir geträumt?« fragt sie zurück. Sie kann sich gut leiden, die junge Frau, kommt bestens mit sich aus, ist möglicherweise sogar der einzige Mensch, mit dem sie gut auskommt, sie schätzt sich eben, findet sich prima, hat Vertrauen zu sich, liebt sich. Nur von allem nicht ganz genug. Deswegen hat sie sowas Raffgieriges. Wenn sich einer schon erlaubt, was ohne ihre vorherige Billigung zu träumen, dann muß der Traum aber mindestens von ihr handeln. M.-Productions proudly present »M.« staring M., with M. and M., featuring M. and for the first Time M., directed by M., camera M., in M.-Color, only in M.-Cinemas in M.-Vision and M.-Stereo-Vollton...
    »Ich habe geträumt«, sage ich, »du fährst auf einem Fahrrad, hältst an der Ampel, und auf dem Rücken hast du dir ein Kind geschnallt. Es hängt, dick eingemummelt, in einem Gurt auf deinem Kreuz. Rührt sich nicht. Ich denke, das lebt doch gar nicht mehr, ob die Mutter das nicht weiß? Ich sage zu dir, he Sie, gucken Sie mal, Ihr Kind, und du fragst: welches Kind? Und ich sage, das da, auf Ihrem Rücken! Und du fragst: Wo? — Auf Ihrem Rücken! — Ach das, sagst du, das hab’ ich ganz vergessen. Das ist schon lange tot, da habe ich schon ein paar Nächte drauf geschlafen. Und dann bist du über die Kreuzung gefahren, und ich habe Eis gegessen. Und dann war Schnitt, und ich sah eine Szene aus ’Der diskrete Charme der Bourgeoisie’.«
    Sie unterbricht mich: »Was ist das?«

    Na ja, Literaturstudenten können ja auch nicht alles wissen. »Ein Film«, sage ich, »in der Szene sagt der sehr vornehme Botschafter eines südamerikanischen Staates zu seinem Freund, mit dessen Ehefrau er ein Verhältnis hat oder eine ’Beziehung’ oder was, der sagt in ganz selbstverständlichem Ton, als spräche er von seinem Reitpferd, ich geh’ mit deiner lieben Frau nur mal nach nebenan, ich will ihr kurz mal meinen Oimel zeigen. Tja, das war der Traum, dann war irgendwie Schluß.«
    »Oimel? Was is’n das?« fragt sie. Soll ich ihr das jetzt erklären? »Ist das irgend ’ne Sauerei, oder was?« Ich zucke nur mit den Schultern. Manche Dinge kann man nicht erklären. Sie hat keinen Humor. Sie lacht zu oft zu laut über vordergründige, leicht verständliche Witze, als daß sie überhaupt Humor haben könnte. Allerdings manchmal, wenn der ganze Tisch dröhnend
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