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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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gibt.
    So hat es jedenfalls Ivana Lorenz geschildert, als sie vor zwei Monaten
bei uns in der Kanzlei Fichtel & Wurzer auftauchte, um sich »so schnell und
so ökonomisch wie möglich« von diesem Scheusal scheiden zu lassen. Wobei sie
unter »ökonomisch« verstand, dass ihr mindestens das Penthouse, der Aston
Martin, eine (die größere) von zwei Jachten sowie eine monatliche Abfindung
nicht unter zwanzigtausend Euro zugesprochen werden müssten – von irgendwas
müsse sie ja schließlich auch leben, nicht wahr?
    Also habe ich mich an die Arbeit gemacht. Als Erstes kontaktierte
ich meinen alten Kumpel Blinky. Blinky heißt eigentlich Johann Seitenstätter,
ist ein ehemaliger Schulkamerad von mir und jetzt Privatdetektiv, und seine
Aufgabe war es, die vermutete Untreue von Hermann Lorenz zu dokumentieren. Was
ihm auch gelang, weshalb in meiner Aktentasche jetzt ein umfangreiches Dossier
samt Fotomaterial über Hermann Lorenz’ Reisetätigkeit während der letzten
beiden Monate steckt. Darauf ist auffallend oft eine junge Frau an seiner Seite
zu sehen, die in denselben Hotels wie er abstieg, die mit ihm ausging und mit
der er sogar ein paar Tage auf Fuerteventura verbrachte. Blinky gelang es zwar
nicht, den alten Lorenz in flagranti abzuschießen, aber vor einer strengen
Scheidungsrichterin würden wir damit allemal gute Karten haben.
    Und das Wichtigste an der ganzen Sache: Unsere Gegenpartei hat keine
Ahnung von unserer heißen Akte. Ich habe weder bei Telefonaten noch in
irgendeinem unserer Schreiben auf die verfänglichen Fotos hingewiesen. Die sind
unser Joker, und den haben wir auch bitter nötig.
    Das Problem an dem Fall sind nämlich nicht nur die gesetzlichen
Grundlagen – aufgrund derer die gute Ivana von einer dermaßen hohen Abfindung
nicht mal träumen könnte –, sondern auch die Anwälte, die Hermann Lorenz
konsultiert hat. Der hat natürlich nicht irgendeine Kanzlei genommen, sondern
die beste der ganzen Stadt: Gessler & Bering, die Anwaltskanzlei
schlechthin. Und da Hermann Lorenz nicht irgendein reicher Promi ist, sondern
einer der reichsten und prominentesten überhaupt, wurde ihm bei Gessler &
Bering auch nicht irgendein Anwalt zugeteilt, sondern das stärkste Kaliber, das
sie haben: Dr. Rebecca Theesink. Intelligent, wortgewandt und juristisch mit
allen Wassern gewaschen. In Fachkreisen hat man ihr den Spitznamen »Dobermann«
verpasst, und der passt hervorragend zu ihr.
    Â»Wann kommen die denn? Ob sie den Termin vergessen haben?« Ivana
Lorenz rutscht ungeduldig auf ihrem Sessel herum. Wenn sie nervös ist, hört man
ihren slawischen Akzent stärker als sonst. Wir sitzen nebeneinander im
Konferenzraum von Gessler & Bering, der größer ist als die gesamte Kanzlei,
für die ich arbeite, und wie erwartet lässt Rebecca Theesink uns ein wenig
schmoren. Unser Besprechungstermin war um vier anberaumt gewesen. Ich bin mit
Ivana Lorenz taktisch klug erst um zehn nach vier erschienen, und Rebecca
Theesink brummt uns jetzt zusätzlich ein paar Minuten auf, um uns gleich unsere
Grenzen aufzuzeigen.
    Â»Das war zu erwarten.« Ich lege beruhigend meine Hand auf Ivanas
Arm. »Das ist taktisches Geplänkel, weiter nichts.«
    Â»Meinen Sie?« Sie erwidert nervös meinen Blick.
    Â»Ja, machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
    Â»Hm.« Sie nimmt einen Schluck von dem Kaffee, den uns eine von den
drei (!) freundlichen Empfangsdamen gebracht hat. Dann greift sie in ihre
Tasche und bringt einen Lippenstift zum Vorschein. Einen quietschroten, wie ich
sehe, als sie ihn öffnet.
    Â»Was wollen Sie denn damit?«, frage ich erschrocken, als sie ihn zu
ihrem Mund führt.
    Sie guckt mich entgeistert an. »Na, mir die Lippen nachziehen. Was
denn sonst?«
    Ich schüttle tadelnd den Kopf. »Was haben wir ausgemacht? Keine
roten Lippen! Sie müssen unschuldig aussehen, schon vergessen?«
    Sie macht ein Gesicht wie ein kleines Mädchen, dem man den Lolli
wegnimmt, doch dann schlägt sie sich theatralisch vor die Stirn. »Ah, genau.
Gut, dass Sie mich daran erinnern.« Sie lässt den quietschroten Lippenstift
wieder in die Tasche fallen, zieht stattdessen einen rosaroten hervor und zieht
sich damit ihre Lippen nach. Dann strahlt sie mich an. »Unschuldig genug?«
    Tja, was soll ich dazu sagen? Nicht dass ich auf dieses Silikonzeugs
stehe, aber bei
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