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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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korrekt?« Mit einem neutralen Blick wartet sie auf meine Antwort.
    Plötzlich gibt Hermann Lorenz ein wütendes Schnauben von sich. Sein
aufgedunsenes Gesicht ist noch röter als sonst geworden. Wütend starrt er Ivana
an. »Zwanzigtausend, du spinnst doch! Und die Lady Ivana gebe ich schon gar
nicht her. Die taufe ich nur um, und zwar schleunigst!«
    Ivana zuckt unter seinen Worten zusammen und sieht mich Hilfe
suchend an.
    Ich fasse Hermann Lorenz streng ins Auge. »Herr Lorenz, wir wollen
hier ein konstruktives Gespräch führen. Ich bitte Sie um Sachlichkeit, und
Beleidigungen verbitte ich mir, ist das klar?«
    Hermann Lorenz holt tief Luft, um loszupoltern, aber Rebecca
Theesink fasst ihn am Arm. »Natürlich, Herr Dr. Becker, wir sehen das genauso«,
antwortet sie an seiner Stelle.
    Lorenz schießt noch einen feindseligen Blick auf mich und Ivana ab
und lässt es dabei bewenden. »Von mir aus, dann machen Sie mal«, grunzt er mit
mühsamer Beherrschung.
    Rebecca Theesink greift erneut nach ihren Unterlagen. »Also, Herr
Dr. Becker, ist es korrekt, wie ich es wiedergegeben habe?«
    Â»Ganz recht, Frau Dr. Theesink«, antworte ich ruhig.
    Â»Nun …« Sie setzt einen amüsierten Blick auf. »Dann muss ich Sie
jetzt wohl fragen, wie Sie auf diese total überzogenen Forderungen kommen? Sie
wissen genauso gut wie ich, dass sie rechtlich gesehen jeder Grundlage
entbehren.« Selbstzufrieden wartet sie auf meine Antwort.
    So, jetzt wird’s lustig. Sie glaubt tatsächlich, dass sie alle
Trümpfe in der Hand hält. Also gut, dann wollen wir Fräulein Neunmalklug mal
eine Lektion erteilen.
    Ich setze einen erstaunten Blick auf. »Rechtlich jeder Grundlage
entbehren? Wie kommen Sie denn darauf?«, frage ich unschuldig.
    Jetzt kommt’s. Sie wird uns einen elendslangen Vortrag halten. Über
eheliches Güterrecht, über eheliches Gebrauchsvermögen, über
Zugewinngemeinschaft, über Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten, bla,
bla, bla. Sie wird uns vorrechnen, dass Ivana nicht viel zu erwarten habe, da
Hermann Lorenz sein Vermögen bereits vor der Verehelichung mit Ivana
erwirtschaftet habe und es seitdem keinen nennenswerten Zugewinn gegeben habe.
Und dass der monatliche Unterhalt keinesfalls so hoch ausfallen könne, da Herr
Lorenz angesichts der schwierigen Wirtschaftslage nur über ein geringes
Einkommen verfüge. Laut Steuererklärung.
    Und wirklich, Rebecca Theesink legt gleich los. Systematisch betet
sie alles herunter, nicht ohne die zugehörigen Paragrafen zu zitieren – darin
ist sie ein Ass, das muss ich ihr lassen –, und hält dazu einen anschaulichen
Vortrag über die »äußerst belastete finanzielle Situation« ihres Mandanten, wie
sie es formuliert. Sie macht das so gut, dass dem alten Lorenz zwischendurch ganz
mulmig wird und er ihr immer wieder überraschte Blicke zuwirft. Wenn sie so
weitermacht, glaubt der am Ende selbst noch, er sei arm wie eine Kirchenmaus.
    Auch Ivana wird neben mir immer kleiner, während Rebecca Theesink
ihren perfekt einstudierten Monolog vorträgt. Ich dagegen sitze lässig und
entspannt da, trinke zwischendurch einen Schluck Kaffee – bei der Hälfte des
Vortrages unterbreche ich Dr. Theesink mit der Bitte um eine weitere Tasse, die
sie mit einer Mischung aus Ärger und Erstaunen über die Sprechanlage weitergibt
– und genieße es lächelnd, wie sie sich zum Affen macht.
    Nur weiß sie das noch nicht.
    Nach einer guten halben Stunde lehnt sie sich schließlich zurück und
meint: »Aufgrund dieser Tatsachen, Herr Dr. Becker, sehen meine Kollegen und ich
nicht die geringste Chance für Ihre Mandantin, Forderungen in dieser
exorbitanten Höhe zugesprochen zu bekommen.«
    Ich erwidere gelassen ihren Blick. War’s das? Gut, dann können wir
ja zum Wesentlichen kommen. Zu der ungemein attraktiven Blondine zum Beispiel,
mit der sich der gute Hermann Lorenz seine alten Tage versüßt, anstatt bei
seiner armen, treuen (ist sie das, bei diesen Lippen?) Frau zu bleiben – in
guten wie in schlechten Zeiten, wie es doch so schön heißt.
    Ich greife in meinen Aktenkoffer und ziehe die Fotos heraus. Voller
Genuss überlege ich, welches ich als Erstes auf den Tisch knallen werde. Das,
auf dem sie gemeinsam das Ritz in Berlin verlassen? Oder das, auf dem er ihr in
einer Hotelbar in
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