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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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sagen … Berufserfahrung, nicht
wahr?«
    Berufserfahrung? Ja, das stimmt zu hundert Prozent. Ich habe viele
zermürbende, demütigende, von Angstschweiß und Wutausbrüchen geprägte Jahre
hinter mir. Zu viele, wie mir manchmal scheint – wenn auch in einem
Kindergarten und nicht in einer sozialpädagogischen
Forschungseinrichtung , wie ich es in meiner Bewerbung formuliert habe.
    Â»Ja, das trifft zu«, sage ich unverbindlich. Mal sehen, worauf er
hinauswill.
    Â»Das bedeutet dann also, dass die …«
Er muss sich jetzt ebenfalls räuspern. Die Luft hier drinnen scheint
tatsächlich trocken zu sein. »… dass
die Episoden, die Sie in ihrem Buch beschreiben … wie soll ich es nennen … authentisch sind?«
    Keine Ahnung, was er damit meint.
    Â»Was genau meinen Sie mit authentisch?« Von Martin weiß ich, dass
man einem Prozessgegner am besten eine Gegenfrage stellt, wenn man keine
passende Antwort parat hat.
    Kommt es mir nur so vor, oder ist Dr. Baumann jetzt ein bisschen rot
geworden? Herrje, hoffentlich nimmt er mir meine Frage nicht krumm.
    Doch dann sagt er: »Was ich meine: Haben Sie diese ganzen
Geschichten auch … ausprobiert?«
    Ach, das meint er.
    Ich atme erleichtert aus. Also, dafür hätte er nicht so lange um den
heißen Brei herumreden müssen. Natürlich habe ich meine Geschichten
ausprobiert. Ich habe sie den Kindern in meiner Gruppe schon viele Male
erzählt, und auch meine Kolleginnen haben sie bereits in ihrer Gruppe
vorgetragen, seit ich sie aufgeschrieben habe, und die Kleinen sind ganz wild
auf die Geschichten. Auf jeden Fall haben meine Geschichten den Praxistest
bereits hinter sich.
    Â»Also, da kann ich Sie beruhigen, Herr Dr. Baumann«, sage ich. »Ich
habe jede einzelne Episode ausprobiert, und ich kann Ihnen versichern, dass die
Reaktionen des Publikums ganz hervorragend waren. Wobei es natürlich auch
darauf ankommt, wie man das Ganze rüberbringt. Meine Kollegin Kerstin zum
Beispiel …«
    Er unterbricht mich mit einer beschwichtigenden Geste. »So genau
wollte ich das jetzt gar nicht wissen. Wichtig ist nur die Authentizität.
Wissen Sie, die Leser spüren das instinktiv, darum ist mir das ein besonderes
Anliegen.« Auf einmal bekommt er einen seltsamen Gesichtsausdruck. »Und die
Einzelheiten können wir dann ja ein andermal erörtern, wenn wir mehr Zeit
haben, nicht wahr?«
    Â»Sicher, gerne. Aber ich könnte Ihnen das auch gleich hier
demonstrieren, wenn Sie wollen«, biete ich ihm an.
    Jetzt sieht er fast ein bisschen erschrocken aus. »Oh, ich denke,
hier würde es nicht so gut passen …«,
sagt er hastig.
    Schon klar. Wahrscheinlich hat er Angst, dass Frau Kränzlein
unangemeldet reinschneit und uns dabei ertappt, wie ich ihm gerade
Kindergeschichten vorlese. Für einen Mann in seiner Position wäre das schon ein
wenig peinlich, dafür habe ich Verständnis.
    Aber da ich gerade so in Schwung bin, präsentiere ich ihm gleich
meine tollen Ideen dazu. »Über den Vortrag habe ich mir nämlich auch schon
Gedanken gemacht«, plaudere ich munter drauflos. »Da es wichtig ist, wie man
die einzelnen Szenen rüberbringt, sollten wir vielleicht eine Art
Gebrauchsanweisung in das Buch einbauen. Bei den wichtigen Passagen könnten wir
zum Beispiel in Klammern dazuschreiben: leise oder streng oder laut schreiend. Wenn
Sie verstehen, was ich meine?« Ich nicke ihm aufmunternd zu.
    Meine Ideen scheinen ihn zu beeindrucken. Er schluckt ein paar Mal
tief, dann zerrt er an seinem Krawattenknoten und meint: » Laut
schreiend? Ja, das klingt wirklich interessant.« Dann klopft er sich
plötzlich voller Tatendrang auf seine Knie und sagt: »Also, Frau … äh … Wilding, ich bin da wirklich zuversichtlich, was unsere Zusammenarbeit angeht.
Könnte ich jetzt mal das Manuskript sehen?« Er schielt auf meinen Aktenkoffer.
    Â»Oh ja, sicher.« Aufgeregt beginne ich an den Verschlüssen
herumzunesteln, als er beiläufig sagt: »Übrigens, wie sind Sie denn auf Ihren
Namen gekommen?«
    Erstaunt halte ich inne. Wie, auf meinen Namen gekommen? Den haben
mir meine Eltern verpasst, wer denn sonst?
    Seltsam, dass ihn das interessiert. Aber er ist der Boss hier, also
beginne ich zu erklären: »Also, Wilding kommt von meinem Vater, und auf den
Namen Sandra kam meine Mutter durch eine Freundin,

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