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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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Mund.
    Besser, viel besser.
    Ohne meinen intelligenten Gesichtsausdruck zu vernachlässigen,
beginne ich mir auszumalen, wie Dr. Baumann mich empfangen wird. Wahrscheinlich
wird sich die Tür seines Büros öffnen, er wird heraustreten, mich erblicken,
dann wird er mit einem warmen Lächeln und ausgebreiteten Armen auf mich
zukommen und sagen …
    Â»Ist das Wasser für Sie?«
    Ein junges Mädchen in Jeans und ausgelatschten Turnschuhen steht vor
mir. Auf einem kleinen Tablett balanciert sie ein Glas Wasser. Offensichtlich
eine Praktikantin.
    Ich schenke ihr ein gönnerhaftes Lächeln. »Oh, danke. Sehr
liebenswürdig von Ihnen.«
    Freundlichkeit macht sich spätestens dann bezahlt, wenn solche Leute
später über einen reden.
    Sandra Wilding, die berühmte Autorin? Ja, die
kenne ich. Und stell dir vor, die ist richtig nett.
    Wasser, endlich! Ich nehme einen großen Schluck.
    Im nächsten Augenblick durchzuckt mich ein Riesenschreck. Was mach
ich denn jetzt schon wieder? Ich muss sowieso jede halbe Stunde aufs Klo, auch
wenn ich nicht viel trinke. Und wenn ich jetzt das Wasser in mich hineinschütte
wie ein Kamel an der Oase, dann wird es nicht lange dauern, bis ich …
    Oh Gott. Plötzlich sehe ich vor mir, wie Dr. Baumann aus seinem Büro
kommt, freudestrahlend und mit ausgebreiteten Armen, und ich anstatt einer
Begrüßung sage: »Ich müsste mal ganz dringend Pipi!«
    Hastig stelle ich das Glas auf dem Beistelltisch ab und wische mir
ganz automatisch über die Lippen.
    Super, jetzt ist der ganze Lipgloss wieder ab.
    Aus den Augenwinkeln registriere ich wieder einen Blick von Frau
Kränzlein und spüre, wie meine Wangen rot werden. Hat die blöde Kuh nichts
anderes zu tun, als mich ständig zu beobachten? Als sie sich wieder ihrem
Computer widmet, bessere ich heimlich meine Lippen nach.
    So, jetzt kann’s losgehen. Wird Zeit, dass dieser Baumann endlich
auftaucht, sonst muss ich vorher wirklich noch für kleine Mädchen.
    Auf einmal ist es so weit: Die Tür zu Dr. Baumanns Büro öffnet sich.
In einem Reflex springe ich hoch. Dann kommt er heraus.
    Für ein paar Sekunden stehen wir uns gegenüber, sein Blick wandert
von meinem Gesicht zu den Schuhspitzen und wieder zurück, und er wirkt ehrlich
überrascht.
    Mir geht es nicht anders, hatte ich ihn mir doch ganz anders
vorgestellt.
    Von wegen alter, lüsterner Kerl! Der ist höchstens dreißig – wenn
überhaupt – und nicht groß und stattlich, wie ich dachte, sondern klein und
eher rundlich. Und er trägt ein verwaschenes T-Shirt und ausgefranste Jeans,
die seine schulterlangen Haare hervorragend ergänzen.
    Einen Augenblick lang schnappe ich nach Luft vor Überraschung. Dann
ringe ich mir ein Lächeln ab, strecke ihm meine Hand entgegen und würge ein »Äh … guten Tag … ich bin Sandra Wilding« hervor.
    Er setzt ein breites Grinsen auf, schüttelt meine Hand und sagt:
»Wow, nicht schlecht. Das haut mich echt um.«
    Was ist das denn für einer? Ein Miniaturrübezahl frei von jeglichen
Manieren, und der ist hier Geschäftsführer?
    Das darf doch wohl nicht wahr sein. Und ich habe mir wer weiß was
für Gedanken gemacht, wie ich hier antanzen soll. Verdammt, Susi, zur Hölle mit
dir und deiner Männerkenntnis!
    In diesem Moment erscheint plötzlich noch ein Mann im Türrahmen:
groß, dunkle Haare, braune Augen, perfekt sitzender, schwarzer Zweireiher.
    Als er mich sieht, blitzen seine Augen kurz auf, dann lächelt er und
schiebt den Langhaarzwerg mit sanfter Gewalt zur Seite.
    Â»Gut, Sie machen mir dann die Entwürfe bis Dienstag, ja?«
    Der kleine Dicke lässt endlich meine Hand los. »Geht klar, Boss!« Er
grinst mich noch einmal breit an, nicht ohne mich noch einmal von oben bis
unten abzuchecken, dann macht er sich vom Acker.
    Â»Und sie sind Frau … äh … Wilding?« Der Mann lächelt einnehmend und
streckt mir seine Hand entgegen.
    Jetzt fällt bei mir der Groschen. Das ist
Dr. Baumann. Erleichtert atme ich auf.
    Â»Oh ja, ich bin Sandra Wilding.« In meiner Begeisterung schüttle ich
kräftig seine Hand. »Und sie sind dann wohl Herr Dr. Baumann.«
    Â»Ganz genau. Bitte, kommen Sie doch herein«, sagt Dr. Baumann und
macht eine einladende Geste.
    Als ich an Frau Kränzlein vorbeistelze, reißt die kurz die
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