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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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sagt sie. »Das ist ein Internetportal. Da kann man private
Videos reinstellen und so.«
    Â»Wie, private Videos?«
    Â»Na, private Aufnahmen. Lustige Sachen, wenn einer auf die Schnauze
fällt, zum Beispiel, oder auch Erotisches. Egal, was.«
    Â»Und das kann jeder machen? Ich meine, da einen Film
veröffentlichen?«
    Â»Ja, sicher.«
    Â»Dann könnte Martin da also eine Botschaft für mich hinterlassen
haben?«
    Â»Ja, genau.« Susi begreift plötzlich und springt aufgeregt hoch.
»Das müssen wir uns sofort ansehen.«
    Das dauert ja eine Ewigkeit. Susi hat den Computer
hochgefahren, sich bei Clipfish eingeloggt und auf Letzte
Chance geklickt. Und seitdem vergehen endlose Minuten. Ich bin nervös
wie noch nie in meinem Leben und zapple herum wie ein geknebelter Piranha, dem
man mit einem Filetsteak vor der Nase herumwedelt.
    Â»Wieso dauert das so lange?«, frage ich ungeduldig.
    Â»Es muss eine ziemliche Datenmenge sein«, meint Susi und starrt wie
hypnotisiert auf den Bildschirm.
    Â»Und was bedeutet das?«
    Â»Dass es ein längeres Video sein muss«, erklärt sie.
    Â»Ein längeres Video? Aber wann hat er denn das gemacht?«, wundere
ich mich.
    Â»Ich weiß nicht«, sagt Susi. »Denk nach: Hat er dich mal gefilmt,
privat, meine ich? Du weißt schon, so wie Paris Hilton oder Pamela Anderson.
Von denen gibt es ja auch ziemlich scharfe Sachen im Internet.«
    Â»Susi!«, sage ich vorwurfsvoll. »Martin wird wohl kaum einen
Privatporno ins Internet stellen, um unsere Beziehung zu retten.«
    Susi reißt ihre Augen vom Bildschirm los und beäugt mich neugierig.
»Das heißt, es gibt so ein Video von euch beiden?«
    Â»Nein, natürlich nicht!«, entgegne ich sofort. »Ich meinte ja nur,
dass das grundsätzlich ungeeignet wäre für … na, ja, als Letzte
Chance . Was immer er damit meint«, füge ich hinzu.
    Ich bin zwar zum Zerreißen gespannt, aber dennoch guter Stimmung.
Denn eines ist ja schon sicher: Martin will mir eine Chance geben, und er hat
dafür einigen Aufwand betrieben. Und was immer er von mir verlangt – da kann
Susi reden, was sie will –, ich werde es tun. Ich werde alles tun, um unsere
Beziehung zu retten. Alles!
    Â»Okay, wir werden es ja gleich sehen«, murmelt Susi. »Na bitte, da
ist es schon!«, ruft sie plötzlich aus, und ich fühle, wie sich mein Herz
beinahe überschlägt.
    Auf einmal ist ein Bild aufgetaucht. Martin ist darauf zu sehen. Er
sitzt auf einem Stuhl und schaut direkt in die Kamera, und der Hintergrund
sieht aus wie … Ja, das sieht aus wie der Nebenraum im Cheerio.
    Aber seltsam, es bewegt sich nichts.
    Â»Das ist ja gar kein Video«, stelle ich enttäuscht fest. »Sondern
nur ein Foto.«
    Â»Mitnichten«, sagt Susi. »Das ist ein Video, wir müssen es nur
abspielen.« Sie klickt auf ein Menüfeld, und auf einmal bewegt sich das Bild.
Ich fühle, wie tausend Ameisen meinen Rücken herunterkrabbeln, und bin knapp
davor zu kollabieren.
    Das Kamerabild wackelt ein bisschen. Anscheinend hält jemand die
Videokamera in der Hand. Und plötzlich gibt es auch Hintergrundgeräusche, man
hört Stimmen und leise Musik, die aus dem großen Gasttraum zu kommen scheinen.
    Martin sitzt auf einem Stuhl und wirkt so klein, so müde, und
irgendwie … zerknirscht. Am liebsten würde ich zu ihm hinlaufen und ihn in den
Arm nehmen. Ihn trösten.
    Â»Was soll das denn werden?«, murmelt Susi.
    Â»Keine Ahnung«, flüstere ich.
    Die Kamera macht jetzt einen Schwenk über den Raum, und ich sehe
Henning, der links steht und einen großen Zettel in der Hand hält, und dahinter
auf einem Sessel Martins Kumpel Michael und neben ihm zwei Frauen in
Flugbegleiteruniformen, die ich nicht kenne. Und gleich daneben Claudia, die
Aushilfe, die ein bisschen verschämt in die Kamera winkt, und Gottfried,
Martins Kollege aus der Kanzlei.
    Auf einmal sagt jemand: »Können wir anfangen?«, und die Kamera
schwenkt wieder auf Martin, aber diesmal so, dass auch Henning im Bild bleibt,
der noch immer aufmerksam den großen Zettel liest.
    Dann wackelt die Kamera plötzlich. Das Bild wird finster, und ich
höre: »Klappe – Martins Prozess – die erste!«
    Dann Martins Stimme: »Klappe, Frankie!«
    Und Frankies Stimme: »Sagte ich doch: Klappe, die erste!«
    Die Kamera wackelt wieder,
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