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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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den Teller mit dem kalten Rest Suppe, als könnte ich ihn darin verbergen. »Iss! Iss!«, rief Pappous, und es klang wie ein militärischer Befehl. »Iss doch, koritzaki mou , iss, mein Mädchen!«, stimmte Yiayias weiche Stimme ein. »Nimm doch vom Hühnchen. Oder soll ich dir ein Pilafi , ein Reisgericht, kochen, das magst du doch …« »Sie ist ja nur Haut und Knochen«, dröhnte dazu Onkel Giorgos’ Bass, und alle hoben ihre Blicke und starrten mich an. Da spießte ich ein kleines Stückchen Huhn, das auf einer Platte übrig geblieben war, auf die Gabel, steckte es inden Mund, würgte und blickte Hilfe suchend in die Runde der erwartungsvollen und vorwurfsvollen Gesichter, bis endlich, endlich Tante Meri den Teller wegzog. »Lasst doch das Kind, lasst sie, ich kenne das, ich war auch so. Wenn sie jetzt bald ans Meer kommt, wird ihr Appetit schon wachsen. Komm, Stelitza , geh spielen, aber nimm dir ein paar Träubchen mit.«
    »Aman, o weh!«, sagte Anna, die schon hinter meinem Stuhl wartete, und zog mich mit sich fort – ich war erlöst.
    Pappous strafte Meri mit einem zürnenden Blick und mahlte wieder mit dem Kiefer. Ich wusste, dass er sich freute, dass wir da waren, auch wenn es nicht unbedingt so aussah. Ich wusste aber auch, dass er mindestens genauso froh sein würde, wenn wir in einigen Wochen wieder abreisen würden. Doch bevor es so weit wäre, wartete ein großartiger Sommer auf uns.

In der Monemwassias Nummerdreizehn
    M orgens erwachte ich von dem Geräusch schlurfender Schritte aus der Küche; da wusste ich: Es ist kein Traum, ich bin wirklich da!
    Das Geräusch machten Yiayias Füße, die in alten Pantoffeln steckten. Yiayia werkelte in der Küche, wo bereits das Frühstück wartete: Tee und Gebäck. So üppig die Griechen nämlich zu Mittag oder zu Abend speisten, so frugal war ihr Frühstück: Wahrscheinlich waren sie noch satt vom Abendessen.
    Das Gebäck wurde in die Tasse getunkt, bis es aufweichte und Krümel auf der Teeoberfläche schwammen – das war so wenig nach meinem Geschmack wie alles andere, was in Griechenland gegessen wurde. Vor einer Sache allerdings graute mir noch tausendmal mehr als vor dem Essen in Yiayias Haus – jetzt, wo wir zwei vertraut zusammensaßen, wagte ich, das Thema anzusprechen: »Yiayia, gibt es dieses Jahr katzarides ?«
    Eigentlich war es eine überflüssige Frage: Natürlich gab es katzarides – also Kakerlaken. Riesige, braune Ungetüme waren es hier im Süden, die in den Ritzen alter Häuser hausten und kaum zu vertreiben waren.
    »Nein, nein!«, beruhigte mich Yiayia aber jedes Mal mit fester Stimme. »Dein Pappous hat sie alle erledigt. Er hat so lange Flint gesprüht – das hat sicher keine überlebt. Und wenn, dann nur eine ganz kleine. Aber wenn du willst, sprüht er noch mal alle Räume aus.« Flint war ein Pestizid, das in einer sonderbaren Sprühvorrichtung geliefert wurde – einer Art Luftpumpe, an der eine kleine Trommel befestigt war. Wenn Pappous Flintsprühte, lagen alle Insekten auf dem Rücken und streckten die Beine von sich.
    Nach ein, zwei Tagen allerdings tauchten neue katzarides auf, und sie kamen mir jedes Mal größer und bedrohlicher vor als die bereits erlegten Tierchen – manche waren so lang wie der Daumen eines Erwachsenen.
    Besonders hartnäckig hielten sich die Biester im Badezimmer. Da ließen sie sich sogar tagsüber blicken und huschten von Ecke zu Ecke, was mich oder meinen Bruder auf dem Klo zu hysterischem Geschrei brachte; dann musste Pappous kommen und Flint sprühen, damit wir uns wieder von der Schüssel herunterwagten.
    Die katzarides huschten nämlich von draußen ins Bad, das nicht im Haus, sondern am anderen Ende des Hofes untergebracht war. Und das war das größte Problem mit den Biestern: Musste ich nämlich nachts einmal aufs Klo, dann galt es nicht nur, sich allein in dem Kakerlakenpalast Badezimmer aufzuhalten – ich musste ja auch den ganzen Weg dorthin zurücklegen, immer in der Panik, im Dunkeln auf eins der unappetitlichen Insekten zu treten. Allein der Gedanke daran ließ mich schaudern.
    Ich öffnete also die Küchentüre nach draußen, dann rannte ich, so schnell ich konnte, durch die unheimlichen Schatten, den langen Hof bis zur Badezimmertüre, die ich zitternd öffnete. Mit fliegenden Fingern knipste ich das Licht an und inspizierte nervös die Ecken. Da waren sie: zwei fette und eine kleine in der Ecke bei der Dusche. Aber es half ja nichts, ich musste nun mal, das galt es zu erledigen,
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