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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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Feigenbaum lebt nicht mehr – als das Haus unbewohnt war, beschwerten sich die Nachbarn dahinter über die herabfallenden Früchte, und Onkel Michalis musste ihn abschlagen lassen. Doch hat er nun einen neuen gepflanzt, der sich in einem Jahr schon stolz nach oben gereckt hat: »Das scheint ein guter Ort für Feigen zu sein«, sagt der Onkel. Daneben hat er neue Rosenbüsche gesetzt, es stehen auch ein Stuhl und ein Tischchen mit Aschenbecher bereit, denn oft kommt Michalis hierher, um einfach nur so in der avli zu sitzen. »Ich weiß nicht warum, aber dieser Ort entspannt mich irgendwie«, sagt er.
    Also setze ich mich auf Michalis’ Stuhl und träume, im Haus wäre alles noch wie früher. Ich träume von Onkel Giorgos’ dröhnendem Lachen und dem Klackern von Tante Meris Stöckelschuhen. Vom Aufzischen des Bratöls in der Küche. Von den kreischenden Stimmen, wenn Anna, Alexis und Stelios durchs Haus jagten. Vom Pappous, wie er sagt: »Setzt euch endlich ruhig hin und esst ein paar Feigen.« Und von Yiayiasweicher Stimme, die mich zum Essen ruft. Da plötzlich höre ich ein Geräusch wie von ihren schlurfenden Pantoffeln, und mir stockt der Atem – doch es ist natürlich nicht meine Yiayia, sondern irgendeine andere alte Frau hinter der Mauer im Hof.
    Bevor ich gehe, werfe ich noch einen Blick in die Küche, die wie alle Räume wirkt, als wären ihre Bewohner nur kurz ausgegangen. Die Stühle um den weißen Tisch sind nun schon etwas wackelig, die Pfannen an der Wand sind neu und teflonbeschichtet, und das divani an der Seite hat einen neuen Überwurf, auf dem ordentlich gefaltet zwei moderne Lidl-Tüten liegen. Sonst ist noch alles da, wo es immer war, das große Küchenbord und auch der schmale Holzschrank in der Ecke mit dem weißen Porzellangriff an der Tür.
    Hier hat Yiayia ihre Tassen aufbewahrt und darunter die Gewürze. Ganz unten stand immer ein großes Glas mit ihrem Gliko – den süßen, eingemachten Sauerkirschen. Daneben gab es immer eine Flasche Sauerkirschsirup, aus dem sie Limonade rührte, und eine kleine Flasche Ouzo. Die war für Pappous.
    Pappous trank eigentlich keinen Alkohol, nur wenn er gerade von der Arbeit aus der Hitze der Innenstadt nach Hause kam: Dann setzte er die Flasche an den Mund und nahm nur einen winzigen Schluck, damit sich sein Bauch erwärmte und der Magen nicht rebellierte gegen das Eiswasser, das er literweise hinterherkippte.
    Ich wage es kaum, den Porzellangriff zu drehen – der alte Schrank macht mir ein bisschen Angst: Was, wenn mir plötzlich Mäuse entgegenkommen? Oder ein paar fette katzarides? Dann siegt die Neugier, die Tür springt auf, und ich sehe Yiayias alte Mokkatassen, hauchfein und doch so beständig, dass sie einst meine Spiele mit den Puppen im Hof überstanden. Sechs von ihnen haben ihre Besitzer sogar um Jahrzehnte überlebt!
    Das Blumenmuster ist blass geworden vom unzähligen Trockenreiben, der Goldrand an manchen Stellen verwischt. Daneben stehen die Kristalltellerchen für das gliko gestapelt, alles in Reih und Glied, als wäre es noch die blinde Yiayia gewesen, die Hand angelegt hat. Lebensmittel und Gewürze aber sind natürlich längst nicht mehr da.
    Bevor ich die Tür wieder verschließe, stecke ich noch einmal die Nase tief in den Schrank.
    Und er duftet noch genau wie früher: nach Anis und Zimt.

Glossar der Laute und Gesten
    Bah (Baaah): Das griechische »Pah«. Anders als unser Pah wird es allerdings nicht kurz und schnippisch intoniert, sondern lang gezogen, und zwar mit gesenkter, um eine Oktave absinkender Stimme. Bedeutung: ach was, was du nicht sagst, von wegen.
    Ftu : Imitiertes Spuckgeräusch, das immer dann ausgestoßen wird, wenn ein Kompliment ausgesprochen wird (um den »bösen Blick« abzuwenden). Gern werden drei Spuckgeräusche aneinandergereiht (ftuftuftu). Spricht man über positive Eigenschaften eines dritten, so wird das ftu dagegen nur einmal angestimmt. Beispiel: Jannis ist aber groß geworden, ftu tu (ein ftu für ihn).
    Och (Oooch): Nicht übersetzbar mit dem Deutschen »och«, sondern vielmehr ein Gegenstück zu unserem »ach« oder »ach je«, wird dieser Seufzer hauptsächlich verwendet, um körperlichen Beschwerden Ausdruck zu verleihen: »Och, mein Rücken!« Oder: »Och, meine Beine!« Wird besonders häufig von Frauen benutzt.
    Opa (Ooopa): Das griechische Hoppla. Findet seine Verwendung hauptsächlich beim griechischen Tanz, wo es von dem Anführer der getanzten Schlange ausgestoßen wird – meist
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