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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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geklöppelte Deckchen lagen. Auf einem Tischchen in der Mitte des Arrangements stand eine Porzellanfigur, eine barocke Dame mit Perücke und himmelblauer Krinoline, an die sich Jagdhunde schmiegten, und die ich immer einige Zeit ausgiebig bewunderte – so hinreißend schön erschienen mir ihr Gesicht mit den rosigen Wangen und der Faltenwurf des in Porzellan erstarrten Kleides.
    Über den Gobelinsofas hingen sepiafarbene Fotografien, die von alter Zeit zeugten: Yiayias stumpf geschnittener Bob war damals noch dunkel gewesen und Pappous’ Kopf voller schwarzer Locken; sie war im Kostüm oder im kleingeblümten Seidenkleid abgelichtet, immer hochelegant, denn Yiayia ließ sich früher jede Saison von der besten Modistin in Piräus einkleiden. Pappous stand stolz in Anzug und Weste da, Michalis und Giorgos posierten im Matrosenanzug, und Mama trug Korkenzieherlocken, sechsunddreißig Stück, achtzehn auf jeder Scheitelseite. Dann gab es noch Bilder von Mama als junger Frau am Klavier und von Onkel Michalis während seines Militärdienstes in Uniform, mit geschorenem Haar und weichen, fülligen Wangen.
    Wenn ich eine Zeitlang im Zwielicht des Salons vor mich hin geträumt hatte, widmete ich mich der Halle: Eigentlich war sie nur eine Art Gang, ein großes Durchgangszimmer mit gemustertem Kachelboden von der Eingangstür bis zurHoftür. Hier war es schön luftig, deswegen wurde das Familienleben im Sommer in der Halle zelebriert – es gab einen großen Esstisch, außerdem Leinensessel und Abstelltischchen. Das Interessanteste war für mich aber die Anrichte: Hier verwahrte die Yiayia – neben dem guten Porzellan – die Koufeta . Das sind Mandeln mit hartem weißem Zuckerguss, verpackt in Tüll und geschmückt mit Seidenblumen. Sie werden bei Hochzeiten oder Taufen an die Gäste verschenkt, und alle, die Yiayia über das Jahr für mich gesammelt hatte, warteten darauf, von mir ausgepackt zu werden.
    Während mein Bruder dann wieder in der avli mit Pappous’ Werkzeug beschäftigt war, durfte ich Yiayia bei den gefüllten Paprika helfen: Vorsichtig schichtete ich sie in ein hochrandiges Blech, Yiayia goss noch eine ordentliche Portion grünes Olivenöl darüber, und dann ging es zum Bäcker. In den meisten Haushalten gab es damals keine Öfen, und so ließen die Hausfrauen ihre Gerichte gegen ein kleines Entgelt in den Bäckereien der Nachbarschaft backen.
    Yiayia trug das Blech, ich stemmte unsere schwere Eingangstür für sie auf. Die Tür schlug zu, und wir standen einen Moment benommen in der glühenden Hitze, die wie ein kleiner Schock nach der relativen Kühle des Hauses wirkte. Und dann ging es voran, allerdings nur in winzigen Schrittchen – Yiayia hatte es in den Beinen.
    Wir liefen mitten auf der Straße, wie alle: Der Bürgersteig war kaum einen Meter breit, deshalb wurde er von den Passanten ignoriert; Autos und Mopeds mussten um Yiayia und mich und die anderen Fußgänger herumfahren. Nur manchmal, wenn einer gar nicht vom Gaspedal heruntergehen wollte, wichen wir zur Seite. Zum Glück war der Verkehr in den Nebenstraßen dieser Gegend ohnehin nicht so stark, nur die Mopedfahrer stellten durchaus ein Risiko dar. Deswegen wurden sie von den Fußgängern auch regelmäßig beschimpft:»Habt ihr den Verrückten gesehen!«, riefen sie. »Will er uns umbringen?!« Meist waren es die Alten, die so zeterten, weil sie nicht so fix fortspringen konnten. Und meist waren die rasenden Mopedfahrer jung und scherten sich nicht drum, sondern hupten nur wütend. Ich klammerte mich immer an Yiayia und hoffte, dadurch geschützt zu sein, denn Yiayia konnte die Mopeds zwar nicht sehen, aber immerhin hören, um rechtzeitig auszuweichen.
    Beim Bäcker standen die Hausfrauen bereits Schlange, viele trugen sogar noch ihre Schürzen über dem Kleid. » Kyria Efstratia, was haben Sie heute gekocht?«, empfingen uns die anderen, die meine Oma stets siezten – alte Leute wurden mit besonderem Respekt behandelt, und die Yiayia sowieso. Da lüpfte Yiayia immer die Geschirrtücher, mit denen sie ihr Gericht gegen den Straßenstaub geschützt hatte, und begutachtete ihrerseits die Gerichte der Nachbarinnen.
    Dann trippelten wir weiter, zum Bauernmarkt, der zweimal wöchentlich auf dem Platz vor der Kirche abgehalten wurde. Den besuchte Yiayia regelmäßig, weil die Preise dort besonders niedrig waren. Nach all den Jahrzehnten im Viertel fand sie den Weg dorthin, und das ist wörtlich gemeint, auch blind: »Man muss sich zu helfen
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