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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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»Ftuftuftu« war ein Spuckgeräusch – Komplimenten wird nämlich stets ein kleines Ritual hinterhergeschickt: eine angedeutete Bespuckung – die soll den bösen Blick ablenken. Älteren Besucherinnen entwichen dabei meist Spucketröpfchen, und ich lernte unauffällig zurückzuweichen, wenn eine alte Tante mich lobte.
    Abends erschien dann meist der harte Kern der Verwandtschaft, Onkel Michalis und Tante Matina, Onkel Giorgos und Tante Meri – ganz wie am Ankunftsabend. Während die Frauen Yiayia mit dem Essen halfen, saßen die Herren rauchend in der Halle und diskutierten. Papa konnte nur wenige Brocken Griechisch, dafür aber Englisch. Die Onkel dagegen sprachen weder Deutsch noch Englisch, dafür Französisch. Irgendwie schafften sie es dennoch, sich zu verständigen: »Autos in Hellas nix gutt«, begann etwa Onkel Michalis. »Poli tax!« – was soviel wie »hohe Steuern« bedeuten sollte (damals wurde beim Kauf eines Wagens vom Staat eine Luxussteuer einbehalten, die sich am Kaufpreis des Wagens orientierte – deswegen konnten die meisten sich nur Gebrauchtfahrzeuge leisten).
    »Poso kani tax, was kostet Steuer?«, stammelte Papa dann, und schließlich klapperten sie mit Händen und Füßen rudernd alle aktuellen Themen ab, und nur selten wurde nach mir gerufen, damit ich übersetzte.
    Pappous, der nach Ladenschluss dazustieß, beteiligte sich meist nicht an dem Palaver (außer, es ging um die Türkenkriege). Er versuchte stattdessen, Feigen an den Mann zu bringen: Sein Feigenbaum im Hof trug besonders süße, große und vor allem viele Früchte, trotzdem – oder gerade deshalb – mochtekeiner sie mehr essen. Die Feigen hingen der ganzen Familie zum Hals heraus. Wenn Pappous mit seinem Feigentablett auftauchte, liefen wir Kinder davon, und seine Söhne stöhnten: »Vater, lass uns doch bitte mit deinen Feigen in Ruhe!« Nur Tante Meri wusste die Früchte zu schätzen, schon beim Betreten des Hauses rief sie: »Baba, haben Sie nicht ein paar köstliche Feigen für mich?« Sie siezte die Schwiegereltern nämlich, dies war bei besonders feinen Athenern so üblich.
    Pappous lächelte dann (das tat er selten) und bot an, die Früchte für sie zu schälen und ihr eine große Tüte davon einzupacken, und es war kaum zu übersehen, dass er die elegante und wohlerzogene Schwiegertochter besonders mochte.
    War einmal kein Besuch angemeldet, führte Pappous meinen Bruder und mich aus: Zuallererst ging es zum Spielplatz, der paidiki chara – das heißt: Kinderfreude. Besonders viel Freude hatten wir dort allerdings nicht: Die griechischen Erwachsenen taten immer alles, um einem jeden Spaß zu verderben. Kletterte man auf ein Gerüst, so hieß es gleich: »Nicht so hoch!« Schubste man das Karussell an, musste man sich zügeln, damit einem nicht schlecht würde. Als besonders verboten galt es aber zu rennen. Rennen war etwas, was Kindern in Griechenland nirgends gestattet war. Überall in Piräus und Athen hörte man die Mütter oder Großmütter ihren Lieblingssatz: Min trechis, renn nicht!, ausrufen, und wer sich widersetzte, der bekam schnell ein paar Ohrfeigen.
    An den griechischen Spielplätzen war das Rennen tatsächlich riskant, denn statt mit Sand waren diese mit grobem Kies bedeckt, der sich bei einem Sturz schmerzhaft in die Knie bohrte – wahrscheinlich, um den griechischen Kindern das Rennen auszutreiben, dachte ich.
    Was mir zusätzlich den Spaß verdarb, war, dass wir auch auf dem Spielplatz essen mussten. Griechische Kinder nämlich wurden nur mit psomi ke tiri in der Hand zum Spielengeschickt, deswegen gab die Yiayia auch uns eine dicke Scheibe Weißbrot und ein ordentliches Stück kefalotiri – harten Schnittkäse – mit (ich verbuddelte die Reste, die ich nicht mehr schaffte, unauffällig im Kies).
    Ein wenig waren wir immer die Sensation auf dem Spielplatz – die erste Frage, die mir von den anderen Kindern gestellt wurde, war: »Wo kommst du her?« Dabei sprach ich akzentfrei Griechisch, die Verwandten hatten mir das immer bestätigt.
    Wahrscheinlich war es einfach so, dass ich nie so sauber und ordentlich aussah wie die griechischen Mädchen, die mehrfach am Tag gewaschen und umgezogen wurden und deren Zöpfe auch am Abend noch aussahen wie frisch geflochten. Unsere Eltern dagegen waren der modern-deutschen Auffassung, Kinder dürften sich ruhig schmutzig machen und ausgelassen toben, deshalb waren meine Kleider um diese Tageszeit zerdrückt und zerknittert, und meine Zöpfe lösten sich in
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