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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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wirre Locken auf.
    Einmal fragte mich eines der adretten Mädchen auf der paidiki chara , ob ich denn ein Waisenkind sei, was ich empört verneinte. »Aber hast du denn gar keine Mutter, die dich frisiert?!«, fragte das Mädchen. Da schämte ich mich ein wenig dafür, dass meine Mama nicht mehr so richtig griechisch war.
    Wurde es dunkel, ging es ins Freiluftkino, davon gab es in jedem Wohnviertel mindestens eines. Die Freiluftkinos bestanden aus einer großen weißen Mauer, vor der – auf dem gleichen spitzen Kies wie auf den Spielplätzen – Plastikstühle aufgereiht standen, von denen mindestens die ersten zehn Reihen von Kindern besetzt waren. Die knabberten den ganzen Film über pasatebos oder sporia – Kürbiskerne oder Sonnenblumenkerne – und warfen die Schalen in den Kies, der mehr davon aufwies, als Steinchen enthalten waren.
    Die hinteren Reihen waren von Großmüttern und Großvätern besetzt, die ihre Enkel mit Knabbernachschub von einemStand versorgten, der sich am hinteren Ende des Kinos neben dem Projektor befand.
    Rückblickend kommt es mir vor, als hätte in jedem Film, den wir damals sahen, Aliki Vougiouklaki mitgespielt – sie war damals wohl die beliebteste Schauspielerin des Landes. Aliki war sozusagen die brave griechische Schwester von Brigitte Bardot. Sie hatte tiefschwarze Augen und hellblondes, auftoupiertes Haar und ihr Liebesleben wurde von unablässigen Missverständnissen verwirrt, die sich immer erst im letzten Moment zu einem Happy End aufklärten und in einer Traumhochzeit mündeten. Die Kinder vorne verstanden von den Verwicklungen wohl meist nicht alles, verfolgten das Spiel aber gebannt; von den Großeltern auf den hinteren Rängen war immer wieder lautes Schniefen zu hören. Nur Pappous blieb zur Rührung kaum Zeit, denn er musste meinen Bruder zur Toilette führen – mindestens alle zehn Minuten lief er zum Opa, der dann stöhnte: »Schon wieder?!«
    Irgendwann stellte sich heraus, dass mein kleiner Bruder bei Filmen im Fernsehen immer dachte, es lebten Zwerge in der Flimmerkiste. Im Freiluftkino, so schlussfolgerte er, müssten es also Riesen sein, die hinter der Projektionsfläche hausten. Und die wollte er unbedingt einmal aus der Nähe sehen. Da traf es sich gut, dass das Klo in einem Kabuff an der rückwärtigen Seite der Projektionsmauer untergebracht war. Doch da war nie jemand, so oft er mit dem Pappous auch hinter die Mauer marschierte. Nach einigen Kinobesuchen war mein Bruder schließlich fast ein wenig verzweifelt: »Immer gehe ich mit Pappous aufs Klo, aber nie sind die vom Film da. Wo sind die denn nur?« Und so klärte sich die Sache auf.

    Das Strandbad Paraskevas mit seinen rot-weiß gestreiften Sonnenschirmen, Umkleidekabinen und Liegestühlen war eröffnet worden, als der Stadtteil Castella noch zum Stadtrandvon Piräus gehörte und im nahen Hafen noch nicht derart viele Schiffe verkehrten. Zur Zeit unserer Kindheit allerdings wurde es bereits von einer Betonlandschaft umrahmt, und das Wasser war so schmutzig, dass die akute Gefahr bestand, sich beim Schwimmen einen Hautausschlag zu holen – sagte zumindest Papa und wollte lieber gar nicht baden als dort. »Ach was, alle baden da«, erwiderte Mama dann immer. »Davon ist noch keiner krank geworden!« Dann packte sie die Badetasche und bestieg mit uns Kindern den Trolleybus, der praktischerweise direkt von der Drapezona vor die Tür von Paraskevas in Castella fuhr.
    Mama liebte Paraskevas, und dass »alle« dort baden gingen, war mit ein Grund dafür – im Gegensatz zu Papa, der einsame Strände vorzog, fühlte sie sich im Trubel wohl.
    Bei Paraskevas gab es immer unzählige griechische Kinder und Mütter, außerdem sehr viele alte Damen, einige Machos in engen Badehosen, zwei bis drei Geistesgestörte und null Touristen.
    Bei den Müttern mit Kindern handelte es sich um Familien, die es in diesem Jahr noch nicht in den Urlaub an einen richtigen Strand geschafft hatten – oder die sich einen solchen Urlaub nicht leisten konnten. Die alten Damen arbeiteten die üblichen vierzig Meeresbäder ab, die griechische Ärzte ihnen pro Sommer zur Gesundheitspflege verordneten. Dazu dümpelten sie unter ihren Strohhüten im Wasser herum und taten so, als könnten sie tatsächlich schwimmen. Die Machos versuchten die jungen Mütter durch einen sportlichen Schwimmstil zu beeindrucken und brachten das Meer zum Schäumen (mein Bruder und ich lachten über sie, denn sie kraulten mit dem Kopf über Wasser). Und die
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