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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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wie sie, als sie klein war, sagte Tante Meri. »Wir sind Freundinnen!«, beschwor sie mich bei jeder Gelegenheit. »Du kannst mir jedes Geheimnis anvertrauen.« Zum Beweis unserer Freundschaft schenkte sie mir, als ich gerade mal zwölf Jahre alt war, Schminksachen. Einmal rauchte sie sogar eine der Zigaretten mit mir, die ich heimlich in meiner Jungmädchenhandtasche mit mir herumtrug. Da war ich vierzehn Jahre alt und Meri eigentlich Nichtraucherin.
    Jetzt aber war ich noch klein, und Tante Meri drückte mich ein ums andere Mal an sich und schwärmte allen vor, wie süß ich sei und wie gern sie mich entführen würde. Ich blickte bewundernd zu ihr hoch, denn Meri war die mondänste aller Tanten: Ihr goldblond gefärbtes Haar trug sie im elegantenDutt, ihre Kleider waren meist aus Chiffon, mit extravaganten Aufdrucken und tiefen Dekolletés. Dazu benutzte sie einen Lippenstift, wie nur sie ihn tragen konnte: fuchsiafarben. Er war ihr Markenzeichen, das wir kurz nach ihrem Eintreffen auf den Wangen trugen.
    Hinter Onkel Giorgos und Tante Meri trottete Cousin Stelios her, drei Jahre älter als ich, immer ein bisschen genervt und mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen. Er hatte eine dünne Schweißschicht über der Oberlippe und zwickte mir beim Begrüßungskuss unauffällig in den Arm. Im Laufe des Abends würde er versuchen, mich in eine Ecke zu drängen und mich zu kitzeln oder mir eine Portion »Brennnesseln« zu verabreichen. Dazu packte er meinen Arm mit beiden Händen und drehte sie in verschiedene Richtungen, bis ich quietschte. Die Verwandtenbesuche waren furchtbar öde für ihn, er war ja das älteste der Kinder und konnte mit uns »Babys« nichts anfangen, darum neckte er uns zu seinem Zeitvertreib.
    Dann war da Onkel Michalis, Mamas jüngerer Bruder. Das Besondere an ihm war sein Gang. Er hatte eine schlenkernde Lässigkeit, und jede seiner sparsamen Bewegungen schien zu sagen: Die Welt kann mich mal. Onkel Michalis war der Herrscher seines eigenen Kosmos. Zahnarzt von Beruf, unabhängig und eigenwillig, war er nicht der Typ, der sich, wie Onkel Giorgos, in einer großen Firma eingliedern würde – oder sonst irgendwo. Sein Lächeln – kein perfektes Zahnarztlächeln, sondern geprägt von einer verwegenen kleinen Lücke zwischen den Schneidezähnen und dem Schalk in seinen Augen – eroberte unsere Kinderherzen. Neben seinem Lächeln trug Michalis immer eine tropfenförmige Pilotensonnenbrille im Gesicht und ein Herrenhandtäschchen, für Autoschlüssel und Zigaretten, in der Hand. Onkel Michalis ist der einzige Mann, der mir je begegnet ist, an dem dieses Accessoire männlich wirkte.
    Das Täschchen baumelte auch munter an seinem Handgelenk, wenn Michalis uns Kinder Jahr für Jahr auf die Akropolis oder in eines der vielen antiken Amphitheater bei Athen führte. Wenn er uns von Hochkultur, griechischer Baukunst und antiker Schönheit vorschwärmte, wich sein schelmisches Lächeln einem beseelten, ja glücklichen Gesichtsausdruck. Und wenn wir dann schließlich auf irgendeiner umgestürzten Marmorsäule Rast machten und der Onkel sich eine der Zigaretten aus seinem Täschchen anzündete, entrang sich ihm stets ein tiefer Seufzer: »Ach, ich hätte Archäologe werden sollen!«
    Tante Matina, seine Frau, teilte seine Leidenschaft für alte Steine nicht, sie war die pragmatischere von beiden – vielleicht auch nur, weil sie so unter Stress stand. Sie kam meist im eigenen Wagen vorgefahren, direkt aus dem Krankenhaus, das sie leitete, oder aus ihrer Praxis. Sie war immer etwas außer Atem; auch sie war blond, wie überhaupt alle Frauen in Griechenland damals blond gefärbt oder wenigstens gesträhnt waren. Matina trug ein bequemes Jerseykleid und eine geräumige Handtasche, in der stets Desinfektionsmittel und Verbandszeug zu finden waren. Dazu Herzpillen und Rheumasalbe und überhaupt alles, was man im Krankheitsfall brauchte. Und niemals Lippenstift oder Parfum.
    »Mariiiiiia«, sagte Onkel Michalis zu meiner Mama, wenn er sie erblickte, und umarmte seine Schwester mit großer Geste. »Wie du aussiehst! Das nenne ich Stil!« Und zu seiner Frau gewandt fügte er hinzu: »Davon solltest du dir was abschauen.« Mama war schon unter der Dusche und an ihrem Koffer gewesen, jetzt trug sie einen Sommertraum in Türkis mit passenden Lacksandalen, und Matina schloss sie mit leicht säuerlichem Gesichtsausdruck in die Arme. »Meinst du, die Leute, denen ich täglich sagen muss, dass sie Krebs haben, wollen,
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