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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
Autoren: Stella Bettermann
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retour ein Symbol für die Freiheit, der Ausbruch aus dem Spießertum – auch noch, als ihre ganze Generation das Reisen bereits für sich entdeckt hatte. Die Freunde und Nachbarn schafften es damals aber von München aus meist nur an die Adriaküste, wo sie sich mit tausenden Landsleuten um die Liegen am Hotelstrand zankten. Eine Reise nach Griechenland dagegen – das klang ungefähr so exotisch wie ein Trip nach Nepal. Dass die Fahrt für uns Kinder eine ziemliche Quälerei war, blendeten unsere Eltern in ihrer Reiseeuphorie irgendwie aus.

    Wir fuhren die Autoput oder die jugoslawische Küste entlang, passierten Großstädte und Kleinstädte, sozialistische Hochhaussiedlungen und zahllose pompöse Denkmäler, die stets etwas mit Großjugoslawien, Tito oder irgendeinem Krieg zu tun hatten. Wenn ich die Augen schließe und an die langen Fahrten zurückdenke, an das einlullende Geräusch des Motors, tauchen nicht Bilder von Städten und Landschaften vor mir auf, sondern das Wageninnere: Die roten Kunstlederbezüge mit dem Lochmuster, die sich klebrig anfühlten, Papas Arm, den er am geöffneten Wagenfenster aufstützte, so dass die blonden Härchen darauf sich im Fahrtwind bewegten. Papa fuhr gern Auto. Dabei hörte er Musik aus dem Autoradio und rauchte Kette. Trotz der Kinder hinten im Fond. Von den Risiken des Passivrauchens hatte damals noch nie jemand gehört. Mamahatte vorne stets eine große Tasche mit Süßigkeiten, die sie uns zusammen mit Erfrischungstüchern nach hinten reichte, wenn meinem Bruder und mir langweilig wurde. Also quasi die ganze Zeit über. Wir lümmelten uns im Fond, guckten aus dem Fenster, stopften uns mit Süßigkeiten voll, und als wir alt genug dazu waren, lasen wir in unseren Büchern. »Zum Glück wird es unseren Kindern im Auto nie schlecht«, sagte Mama immer mit unverhohlenem Stolz. Nicht einmal Serpentinen machten uns was aus, das hatten wir von der Yiayia geerbt, glaubte meine Mutter. Yiayia war nämlich absolut seefest. Während ihrer alljährlichen Schiffsreisen zum Kurort Methana, wo sie Schwefelbäder zu nehmen pflegte, überstand sie sogar ausgewachsene Stürme mit einem Lächeln. Ganz im Gegensatz zu Pappous, der in jedem Linienbus seekrank wurde.
    Es ging an Dubrovnik vorbei, dann entlang der albanischen Grenze. Hier trugen die Frauen Pluderhosen, und verstrubbelte Kinder in kleinen Bergdörfern liefen den Autos hinterher und bettelten um Zigaretten und Süßigkeiten. Am dritten Reisetag war die Luft draußen heißer als im Wageninneren, und am Straßenrand wuchs nur noch trockenes Gestrüpp. Grün waren nur die Pinienwälder auf den Hügeln über den Straßen. Da waren wir dann schon in Griechenland, aber es sollte noch bis zum Abend dauern, bis wir schließlich mit schmerzenden Hinterteilen Piräus erreichen würden.
    Eine Stunde nach unserer Ankunft war der Bürgersteig vor der Monemwassias dreizehn zugeparkt und das Haus rappelvoll. Die komplette griechische Verwandtschaft gab sich die Ehre, um die verlorene Tochter samt Anhang daheim zu begrüßen.
    Onkel Giorgos, Mamas älterer Bruder, den irgendwie immer eine Aura von Wichtigkeit umgab, wirkte schon hinter der Windschutzscheibe seines Autos Ehrfurcht gebietend. Denn alles an Onkel Giorgos, vom Anzug bis zu den Schläfen, wargrau und erhaben. »Kalos ilthate, willkommen!« tönte er uns entgegen, wenn er das Haus betrat, und seine tiefe, dröhnende Stimme erfüllte den ganzen Raum. Er war ein hohes Tier bei einem Erdölkonzern und pflegte die Attitüde eines Mannes, der sich Gehör zu verschaffen weiß. Er kam mir so unnahbar vor, dass ich immer wieder verblüfft war, wie zärtlich er die Hand der schönen Tante Meri hielt, seiner Frau. Die beiden führten eine »gute Ehe«, sagten die weiblichen Verwandten oft, was mich immer verblüffte: Waren die anderen Ehen etwa schlecht? Hoffentlich nicht die von Mama und Papa, die nicht permanent Händchen hielten und sich nie gegenseitig Jäckchen gegen die Zugluft umhängten. Uns war die griechische Panik vor Zugluft allerdings sowieso etwas suspekt, selbst Mama hatte sie sich in München abgewöhnt.
    Tante Meri benahm sich, der Ehefrau eines Managers angemessen, wie eine Königin; sie verfügte über große Gebärden und eine stolze Haltung. Aber sie war eine Königin zum Anfassen und verrückt nach kleinen Mädchen. Sie selbst hatte nur einen Sohn, Stelios, und von allen Mädchen in der Verwandtschaft war ich ihr Liebling, weil ich zart und hübsch war als Kind. Ganz so
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