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Ich träume deutsch

Ich träume deutsch

Titel: Ich träume deutsch
Autoren: Nilgün Tasman
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und es ist sehr gut!“
    Mine und ich waren noch nie in Deutschland in einem Restaurant gewesen. Wenn wir im Urlaub in Istanbul waren, aßen wir schon mal in einem Lokal, aber das war etwas ganz anderes.
    Baba bestellte für uns alle das gleiche Gericht.
    „Vier halbe Hühnchen und Kartoffelsalat ohne Schwein, bitte!“
    Die Kellnerin musste lachen. Mine und ich grinsten und schauten auf unsere Servietten, die uns Anne auf den Schoß gelegt hatte.
    „Wollen Sie auch etwas zu trinken?“, fragte die Kellnerin.
    „Ja, vier Fanta“, antwortete Baba.
    Kaum drehte die Kellnerin uns den Rücken zu, sagte Baba: „Eşoleşek, lacht nicht, wenn ich Deutsch spreche!“ Aber dann musste er selbst lachen.
    Mine und ich saßen da, freuten uns auf das Essen, und ich war so stolz auf uns! Wenn uns doch nur meine Freundin Helene gesehen hätte. Oder wenigstens Onkel Ali und unsere |28| ganzen Freunde. Wie die Deutschen saßen wir da, und wir sahen alle so schön aus. Anne musste nicht kochen, und es war auch noch ein Sonntag!
    Mein Baba sprach immer sehr laut. Plötzlich fiel mir auf, dass die Menschen um uns herum sich gar nicht mehr miteinander unterhielten, sondern uns nur anstarrten.
    „Baba, sprich doch leiser, alle schauen uns an“, sagte Mine und wurde rot im Gesicht.
    „Eşoleşek, schämst du dich für deinen Vater?“, schimpfte Baba.
    Als die Kellnerin das Essen brachte, hörte man auch von uns nichts mehr.
    Das Essen schmeckte einfach umwerfend! Das Hühnchen war knusprig, und der Kartoffelsalat war das Beste, was ich je gegessen hatte.
    In unserer kleinen Stadt gab es nicht viele Lokale. An der Pizzeria liefen wir oft vorbei, aber wenn Anne die feinen Leute dort sah, sagte sie gleich: „Das ist nichts für uns, ich wüsste nicht mal, was man dort isst.“
    Von dem Tag an gingen wir mindestens ein Mal im Monat in den Wienerwald „vier halbe Hühnchen ohne Schwein“ essen. Bis Anne eines Tages von der Arbeit nach Hause kam und weinend erzählte, was sie erfahren hatte: Ihr Chef hatte ihr gesagt, dass der schwäbische Kartoffelsalat immer mit einer Fleischbrühe angemacht wird, die aus Schweine- und Rinderknochen gemacht werde.
    Während Anne uns das berichtete, musste sie mehrmals auf die Toilette rennen und sich übergeben. Baba schien sich nicht besonders darüber aufzuregen. Im Gegenteil, er war der Meinung, dass wir uns nicht schuldig gemacht hätten, sondern dass dafür andere in der Hölle schmoren müssten. Schließlich hätten wir das ja nicht gewusst.
    |29| Allerdings war der Wienerwald für uns gestrichen. Anne musste sogar schon würgen, wenn wir nur am Wienerwald vorbeiliefen.
    Leider gingen wir sonntags auch später nie wandern, weil wir Türken eben anders waren.

Gäste zu haben oder Gast zu sein, ist eine große Ehre
    Wir Türken sind sehr gastfreundlich und haben viele Freunde. Gäste werden immer königlich bewirtet, und keiner darf hungrig das Haus verlassen. Man bereitet sich Stunden vorher auf den Gast vor, kocht, backt und putzt die Wohnung. Wir freuten uns immer sehr auf Gäste.
    Der Spruch „Trage den Gast so unantastbar wie eine Krone auf deinem Haupt“ ist in der Tat sehr zutreffend. Ein Gast bringt Segen und Glück ins Haus, er beseelt dein Haus. „Teile dein Brot mit deinem Gast und gib ihm, was Allah dir gegeben hat.“ Gäste zu haben oder auch Gast bei jemandem zu sein, ist eine große Ehre bei uns.
    Eines Tages kam Anne von der Arbeit nach Hause und erzählte uns ganz stolz, dass ihr Abteilungsleiter Herr Huber und seine Frau uns für Sonntagmittag zum Kaffee eingeladen hätten. Meine Anne erzählte viel über ihren Abteilungsleiter, wie nett er auch zu Ausländern sei und wie verständnisvoll. Die Frau von Herrn Huber war vor Jahren einfach auf dem Tennisplatz umgefallen, und als sie wieder wach wurde, konnte sie nicht mehr laufen. Sie saß im Rollstuhl, weil sie einen Schlaganfall gehabt hatte. Ich kannte Herrn Huber auch, |30| weil ich meine Anne mal in der Fabrik besucht hatte. Herr Huber war ein sehr netter Abteilungsleiter und hatte meiner Anne, als ich krank war, einfach frei gegeben. Obwohl er Deutscher war, hatte er zu meiner Verwunderung nur ganz wenig Farben auf dem Kopf. Er hatte sogar einen Bart, wie mein Baba. Meine Anne hatte Frau Huber bei einem Betriebsausflug kennen gelernt und fand sie auch sehr nett.
    Baba sagte gleich, dass er nicht mitkommen wolle, weil er sich bei „den Deutschen“ nicht wohl fühlen würde. Außerdem könne er sich sowieso nicht auf
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