Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis
Autoren: Kim Harrington
Vom Netzwerk:
nein«, stöhnte ich, ohne es zu wollen, denn Mom und Perry saßen neben mir.
    Mom spürte, dass es einen neuen Grund zur Sorge gab, und zwängte sich neben mich auf den Stuhl. Ängstlich wartete ich auf ihre Überreaktion. Sie hob die Hände gen Himmel, als fragte sie stumm »Warum passiert das mir?«, stand auf und fächelte sich Luft zu, während sie hyperventilierte.
    »Was ist denn?«, fragte Perry.
    Ich verdrehte die Augen. »Es gibt eine neue Hellseherin in der Stadt. Madame Maslov.«
    Mom deutete auf die Zeitung, als sei sie ein schmutziges Etwas. »Eine ganzseitige Anzeige! Ganzseitig!«
    Perry griff nach der Zeitung. »118 Rigsdale? Das ist hier um die Ecke. He, das ist ja Andreas Buchladen.«
    »War«, korrigierte ich.
    Es handelte sich um eine wertvolle Immobilie direk t an der Uferpromenade. Vor ein paar Monaten war die Miete gestiegen und Andrea konnte sich den Laden nicht mehr leisten, sodass sie in den Ruhestand ging. Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter mit ihr gelitten hatte.
    »Erst verliert Andrea ihr Geschäft und jetzt schnappt es sich auch noch diese Betrügerin«, sagte Mom.
    »Nur keine voreiligen Schlüsse. Wir müssen prüfen, ob sie eine echte Hellseherin ist oder nicht.«
    »Sie behauptet, sie könne in die Zukunft schauen«, sagte ich kopfschüttelnd.
    Das war gar nicht gut fürs Geschäft. Erstens wollen die Leute viel lieber etwas über ihre Zukunft erfahren, als uns zuhören – immerhin erzählten wir ihnen nur, was sie schon wissen. Zweitens war es nicht möglich, in die Zukunft zu sehen, also war diese Maslov ganz sicher eine Betrügerin. Und jedes Mal, wenn jemand von einem Hellseher übers Ohr gehauen wird, folgert der Betroffene daraus, dass alle Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten Betrüger sind. Solche Möchtegerns schaden uns allen.
    »Keine Panik«, versuchte ich Moms gänzlichen Zusammenbruch zu verhindern. Ich warf Perry einen bedeutungsschwangeren Blick zu und deutete mit dem Kopf zu Mom. Damit wollte ich ihn dazu bringen, sie zu beruhigen.
    Er begriff schnell und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wir machen Folgendes. Ich lasse im Copy Shop bunte Flyer für uns drucken. Dann verteile ich sie in der Stadt und bitte ein paar Leute, sie ins Schaufenster zu hängen. Eine so große Anzeige können wir uns nicht leisten, aber wir können einen Fünf-Dollar-Gutschein auf den Flyer drucken.«
    »Fünf Dollar weniger?« Mom stand noch immer auf der Kippe.
    »Doch nur für kurze Zeit«, beschwichtigte Perry. »Nach zwei Wochen wird der Gutschein ungültig. Es geht nur darum, das Geschäft kurzfristig anzukurbeln. Noch haben wir keine Kunden an diese Madame Maslov verloren. Wir müssen die Konkurrenz im Keim ersticken.«
    Mom nickte langsam. Offensichtlich dachte sie über Perrys Idee nach. Das Telefon klingelte. Perry sprang auf und ging ran.
    »Séancen bei Familie Fern«, sagte er. »Nein, das machen wir nicht.« Er runzelte die Stirn. »Sind Sie sicher?« Er machte eine lange Pause. »Okay, dann auf Wiederhören.«
    Langsam drehte er sich zu uns um. »Der Termin um drei Uhr wurde abgesagt.«
    »Warum?», fragte ich.
    »Weil wir nicht in die Zukunft sehen können, Madame Maslov aber schon. Sie haben uns abgesagt, um einen Termin mit ihr zu vereinbaren.«
    Mom warf die Hände erneut in die Höhe. »Das reicht! Ich gehe zu Phil.«
    »Und was kann er ausrichten?«, fragte Perry.
    »Ich weiß es nicht!«, schrie Mom. Sie nahm ihren Autoschlüssel und rannte aus dem Haus.
    Perry sah mich an. »Ich muss mich um diese Flyer kümmern. Fährst du mit ihr? Das Letzte, was wir brauchen, ist eine verrückt gewordene Mutter, die im Rathaus eine Szene macht.«
    I ch stimmte ihm zu, holte Mom ein und setzte mich gerade noch rechtzeitig auf den Beifahrersitz ihres Prius, bevor sie losdüste.
    Phil Tisdell war ein langjähriger Freund meiner Mutter. Im Lauf der Jahre hatte er hier schon verschiedene Posten innegehabt und war nun Stadtkämmerer. Phil war ein bisschen in meine Mom verknallt, und als sie vor dem Rückspiegel ihren Lippenstift nachzog, vermutete ich, dass sie diese Tatsache zu ihren Gunsten nutzen wollte.
    »Ich verstehe nicht, warum du unbedingt mitkommen wolltest, Clare. Ich brauche keinen Babysitter.«
    Ich wollte gerade behaupten, dass ich sie nicht deshalb begleitete, aber dann fiel mir ein, dass Mom Gedanken lesen konnte und das Wort wahrscheinlich während der Autofahrt aus meinem Kopf gefischt hatte. Ich zuckte mit den Schultern. »Ich will dir nur helfen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher