Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder
Autoren: Cecilia Ahern
Vom Netzwerk:
nach oben erinnert er mich an eine Riesengarnele, immer gebeugt, sei es über sein Essen oder über seine Arbeit.
    Rosaleen erscheint wieder, mit einem irischen Frühstück, von dem sämtliche Kinder der hundert entlassenen Fabrikarbeiter locker satt werden würden.
    Arthur wirft den Kopf zurück. Er freut sich.
    Dann steht Rosaleen neben mir und schenkt mir Tee ein. Ein Gingersnap-Latte wäre mir natürlich wesentlich lieber, aber ich kippe ein bisschen Milch in das Gebräu und fange an zu schlürfen. Rosaleen lässt mich nicht aus den Augen, bis ich schlucke.
    Wie alt Rosaleen genau ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich auch Anfang, Mitte vierzig, aber auch sie sieht locker zehn Jahre älter aus. In ihrem vorn durchgeknöpften Blümchenkleid und dem Unterrock könnte sie aus den vierziger Jahren stammen. Meine Mum hat noch nie Unterröcke getragen, sie ist überhaupt sehr sparsam mit ihrer Unterwäsche. Ihre straßenköterbraunen Haare trägt Rosaleen kinnlang, streng in der Mitte gescheitelt und hinter ihre kleinen rosa Mauseöhrchen geklemmt, so dass man deutlich die grauen Ansätze sieht. Noch nie habe ich Ohrringe oder Make-up an ihr gesehen, dafür hat sie immer ein goldenes Kruzifix an einer goldenen Halskette umhängen. Sie gehört zu den Frauen, von denen meine Freundin Zoey immer sagt, sie sehen aus, als hätten sie in ihrem ganzen Leben noch nie einen Orgasmus gehabt. Während ich den Fettrand vom Schinkenspeck abschneide und Rosaleen deswegen schon wieder die Augen aufreißt, frage ich mich, ob Zoey wohl einen Orgasmus hatte, als sie mit Fiachrá geschlafen hat. Dann denke ich an den Hockeyschläger, und sofort kommen mir Zweifel.
    Auf der anderen Straßenseite, direkt gegenüber vom Torhaus, steht ein kleines, einstöckiges Haus, ein Bungalow. Keine Ahnung, wer dort wohnt, aber Rosaleen bringt jeden Tag Essenspakete hin. Zwei Meilen die Straße runter ist die Post, die jemand in seinem Privathaus betreibt, und gegenüber davon die kleinste Schule, die ich je gesehen habe und die – ganz anders als meine Schule zu Hause, in der das ganze Jahr über stündlich irgendwelche Aktivitäten stattfinden – im Sommer komplett leersteht. Ich habe Rosaleen gefragt, ob da vielleicht Yoga-Kurse oder etwas Ähnliches angeboten würden, aber sie hat mir erklärt, dass sie mir gerne zeigen kann, wie man selbst Joghurt macht. Dabei machte sie so einen glücklichen Eindruck, dass ich es nicht übers Herz brachte, sie über das Missverständnis aufzuklären. In der ersten Woche habe ich ihr tatsächlich beim Zubereiten von Erdbeerjoghurt zugeschaut. Sie hat so viel davon gemacht, dass nach zwei Wochen immer noch was davon übrig war.
    Das Torhaus, in dem Arthur und Rosaleen wohnen, hat im achtzehnten Jahrhundert den Seiteneingang des Kilsaney Castle bewacht. Den Haupteingang zum Schloss bildet ein heruntergekommenes, irgendwie sehr unheimliches gotisches Tor. Jedes Mal, wenn ich daran vorbeikomme, stelle ich mir vor, dass abgeschlagene Köpfe daran hängen. Das Schloss wurde als Befestigungsanlage des
Norman Pale
erbaut – das war die Gegend im Osten Irlands, die nach der Invasion von Strongbow von den Normannen und Engländern kontrolliert wurde –, also irgendwann zwischen 1170 und 1270, was, wenn man es sich überlegt, eine ziemlich vage Zeitangabe ist. Ob etwas von mir oder von meinen Halbroboter-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkeln stammt, macht doch einen ziemlichen Unterschied, finde ich. Jedenfalls gehörte das Schloss einem normannischen Kriegsherrn, und deshalb denke ich immer an die abgehackten Köpfe. Denn das haben die damals doch gemacht, oder nicht?
    Die Gegend hier nennt sich County Meath. Früher hieß sie East Meath, und zusammen mit West Meath – wer hätte das gedacht! – bildete sie eine eigenständige fünfte Provinz Irlands, das Territorium des Hochkönigs. Der ehemalige Sitz der Hochkönige, der Hill of Tara, liegt nur ein paar Kilometer entfernt. Derzeit ist er ständig in den Nachrichten, weil ganz in der Nähe eine Autobahn gebaut werden soll. Vor ein paar Monaten mussten wir in der Schule darüber diskutieren. Ich habe für den Bau der Autobahn plädiert, unter anderem mit der Begründung, dass es dem König bestimmt gefallen hätte, wenn er auf dem Weg in sein Büro nicht durch irgendwelche matschigen Mistfelder waten und sich die Sandalen hätte dreckig machen müssen. Außerdem brachte ich noch das Argument vor, dass die Gegend durch die Autobahn für die Touristen zugänglicher werden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher