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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder
Autoren: Cecilia Ahern
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Rosaleen packt ihm eine Thermoskanne Tee und ein paar Sandwiches ein, die ihn bei Kräften halten, und er kommt zwischendurch nur selten zum Haus zurück – höchstens mal, um etwas aus der Garage zu holen, was er vergessen hat, oder weil er aufs Klo muss. Dem äußeren Anschein nach ist Arthur ein einfacher Mensch – nur nehme ich ihm das nicht recht ab. Jemand, der so wenig spricht, ist garantiert nicht so einfach, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Es ist schwierig, nicht viel zu sagen, denn wenn man nicht redet, dann denkt man, und ich glaube, Arthur denkt eine ganze Menge, wenn der Tag lang ist. Meine Mum und mein Dad haben ständig gequasselt. Aber Schwätzer denken nicht viel, ihre Worte übertönen die Stimme des Unterbewusstseins, die fragt:
Warum hast du das gesagt? Was denkst du denn wirklich?
    Früher bin ich an Schultagen und Wochenenden so lange wie möglich im Bett geblieben, genau genommen, bis Mae mich irgendwann gegen meinen erbitterten Widerstand aus dem Bett zerrte. Aber hier wache ich früh auf. In den großen Bäumen tummeln sich die Vögel, und die sind so laut, dass ich von ihrem Gezwitscher aufwache. Ohne mich im Geringsten müde zu fühlen. Gegen sieben bin ich auf den Beinen, was für mich ein richtiges Wunder ist. Mae wäre stolz auf mich. Die Abende hier sind zu lang, deshalb muss man sich bei Tag beschäftigen. Es gibt schrecklich viel unausgefüllte Zeit.
    Im Mai hat Dad seinen Entschluss gefasst, dass er genug vom Leben hatte – direkt vor meiner Prüfung fürs Junior Certificate, was ein bisschen unfair war, denn bis dahin lebte ich in dem Glauben, ich wäre diejenige, die irgendwann den Drang verspüren würde, Selbstmord zu begehen. Ich habe meine Prüfungen trotzdem gemacht. Die Ergebnisse erfahre ich erst im September. Wahrscheinlich bin ich durchgefallen, aber das kümmert mich nicht besonders, und ich glaube auch nicht, dass es sonst jemandem schlaflose Nächte bereitet. Meine ganze Klasse war auf Dads Beerdigung, es gab nämlich einen Tag schulfrei. Trotz des ganzen Chaos war es mir peinlich, dass ich vor versammelter Mannschaft heulen musste – ist das zu glauben? Aber so war es, und als ich anfing, dauerte es nicht lange, bis erst Zoey und dann Laura einstimmten. Ein Mädchen aus meiner Klasse, Fiona, mit der nie jemand redete, umarmte mich ganz fest und überreichte mir eine Karte von ihrer Familie, auf der stand, dass sie in Gedanken bei mir seien. Dann gab mir Fiona auch noch ihre Handynummer und ihr Lieblingsbuch und sagte, falls ich mit jemandem reden wollte, wäre sie immer für mich da. Damals fand ich es ein bisschen arm, dass sie sich mir beim Begräbnis meines Vaters so an den Hals schmiss, aber als ich später noch mal darüber nachdachte – und ich denke jetzt eine Menge –, fand ich, dass niemand an diesem Tag so nett zu mir war wie Fiona.
    In der ersten Woche in Meath fing ich das Buch zu lesen an. Es ist eine Art Gespenstergeschichte von einem Mädchen, das für alle anderen Menschen auf der Welt unsichtbar ist, auch für ihre Familie und ihre Freunde, obwohl alle wissen, dass sie existiert. Sie kam einfach unsichtbar zur Welt. Den Rest verrate ich nicht, aber am Ende freundet sie sich mit jemandem an, der sie sieht. Mir gefiel die Idee, und ich dachte, dass Fiona mir damit etwas sagen wollte, aber als ich bei Zoey übernachtete und ihr und Laura davon erzählte, meinten sie, das sei ja wohl der größte Quatsch, den sie je gehört hätten, und Fiona sei anscheinend noch komischer, als sie bisher gedacht hätten. Wisst ihr, was? Mir fällt es zunehmend schwer, ihre Argumente nachzuvollziehen.
    In der ersten Woche hier fuhr Arthur mich nach Dublin, damit ich bei Zoey übernachten konnte. In der ganzen eineinviertel Stunde Fahrt sprachen wir kein Wort. Das Einzige, was er sagte, war: »Radio?«, und als ich nickte, stellte er einen von den Sendern ein, in dem nur über die Probleme des Landes geredet und kein Ton Musik gespielt wird, und dazu schleimschnaubte er die ganze Zeit. Trotzdem war es besser als totale Stille. Nachdem ich die Nacht bei Zoey und Laura verbracht und ununterbrochen über Arthur gemeckert hatte, fühlte ich mich ganz zuversichtlich. Das war endlich wieder mein altes Selbst. Wir waren alle der Meinung, dass Arthur und Rosaleen ihrem Ruf als Dorfpunks alle Ehre machten und dass ich mich nicht in ihre Spinnerexistenz hineinziehen lassen durfte. Das bedeutete, dass ich auf der Heimfahrt im Auto gefälligst hören konnte,
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