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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Autoren: Babak Rafati
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hätte. Kurz zuvor hatte sich DFL-Präsident Rauball bei der Präsidiums- und Vorstandssitzung des DFB mit dem Satz »Ich vertraue darauf, dass Herr Zwanziger ein Gespräch mit Herrn Roth sucht, ob es möglich ist, dass er sein Amt am 9. April an Herrn Fandel übergibt«, für eine Art Zwangsrücktritt von Roth ausgesprochen. Es war jedenfalls ein unwürdiger Abgang für diesen verdienten, fähigen und – für die, die ihn nicht besser kannten – als sperrig verschrienen Mann. Roth musste nach nicht nur meiner Einschätzung wohl auch deshalb gehen, weil er der DFL eben nicht gutwillig genug schien und seinen Schiedsrichterbereich gegen Einflussnahmen von außen durch meterdicke Betonmauern abschottete. Mauern, die so stark waren, dass Roth von Rauball vorgeworfen wurde, wir Schiedsrichter würden wie eine Art Geheimbund geführt – was doch eigentlich denen einfallen konnte, die gerne mehr Einfluss genommen hätten, Roth aber nicht umspielen konnten.
    Roth war selbst erfolgreicher Unternehmer und trat den Vereinsbossen und den DFL-Managern gegenüber entsprechend selbstbewusst auf. Er hatte eine hohe Sozialkompetenz, trotz all des Leistungsdrucks, den er konsequent aufrecht erhielt. Er verstand es, einen Schiedsrichter per Klartext hart zu kritisieren – und ihn dennoch motiviert und einsichtig aus dem Gespräch zu verabschieden. Er baute seine Leute auf. Langfristig. Er gab einem Sicherheit. Was er sagte, war immer sachlich begründet. Harte Kritik gab’s nur unter vier Augen und nie vor den anderen und danach reichte er einem immer wieder die Hand zur Versöhnung. Wenn einer mal ein Tief hatte und in den Medien durchgeprügelt wurde, machte er nicht viele Worte und wusste die normalen sportlichen Schwächeperioden seines Schiedsrichters mit geschickt defensiven Spielansetzungen national wie auch international zu überbrücken. Roths designierter Nachfolger war Herbert Fandel. Roth war ein Meister im Ansetzen und Fandel hatte als sein bester Schüler gelernt, wie man Schiedsrichter auf risikolose Spiele ansetzt und sie damit aus der Schusslinie der öffentlichen Aufmerksamkeit nimmt – weshalb ich mir sicher bin, dass keine meiner späteren Ansetzungen – vor allem die bei Mainz 05 – ein Zufall waren. Aber dazu später.
    Roth ging mit seinen Schiedsrichtern durch dick und dünn. Es gab in meinen Anfängen einige Fälle, bei denen Schiedsrichter nicht ihre Leistung erbrachten und die Medien sie entsprechend hart kritisierten. Aber Roth entzog ihnen nicht das Vertrauen, sondern hielt über mehrere Jahre öffentlicher Kritik stets zu ihnen, was sich im Nachhinein immer bewährt hat. Diese Schiedsrichter sind ihm heute noch – wie ich weiß – dafür dankbar, denn sie haben sich in der Bundesliga und international zu absolut festen Größen entwickelt. Bei Roth konnte jeder sicher sein, der Chef steht hinter einem und bei Bedarf auch schützend davor.
    Einmal schrieb ein Journalist im Internet, dass ich wegen meiner persischen Herkunft nur ein »Quoten-Schiedsrichter« sei und der DFB mich nur dulde, weil man auch einen Ausländer als Schiedsrichter präsentieren wolle. Das war nicht nur ausländerfeindlich – sondern schlicht falsch: Denn ich bin deutscher Staatsbürger. Und ich fühle mich als Deutscher. Ich träume sogar als Deutscher. Volker Roth reagierte sofort und unnachgiebig über den DFB und drohte mit der Staatsanwaltschaft, sodass der Artikel bald aus dem Netz entfernt wurde. Das war die Rückendeckung und Stärkung, die Volker Roth jedem seiner Schiedsrichter gab. Bei ihm war man keine Nummer. Sondern Mensch.
    Als Roth ein anderes Mal bei einer Pressekonferenz gefragt wurde, was er denn dazu sage, dass ich zum dritten Mal zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt worden sei, sagte Roth ganz einfach nur: »Nichts«. Auf die Nachfrage, dass er dazu doch eine Meinung haben müsse, sagte er nur: »Ein Schiedsrichter muss nicht beliebt sein, sondern autoritär. Diese Umfrage wird bei Spielern durchgeführt. Was soll denn da anderes herauskommen? Ich selbst sehe, was unsere Schiedsrichter können, und wir haben zudem intern Fachleute, die das bewerten.«
    Roth schien druckresistent gegen jede Einflussnahme von außen. Er ließ jeden Schiedsrichter seine eigene Persönlichkeit auf dem Spielfeld frei entfalten. Hauptsache, man hatte eine – und war durchsetzungsstark. Er wusste durchaus, dass einige – wie auch ich – im Auftreten nicht beliebt waren und polarisierten, aber er störte sich nicht
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