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"ich lerne: gläser + tassen spülen": Briefe 1923?1956 (German Edition)

"ich lerne: gläser + tassen spülen": Briefe 1923?1956 (German Edition)

Titel: "ich lerne: gläser + tassen spülen": Briefe 1923?1956 (German Edition)
Autoren: Bertolt Brecht , Helene Weigel , Wolfgang Jeske , Erdmut Wizisla
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die Kinder Steff und Barbara und um Hellis Gesundheit, medizinisches Grundwissen einsetzend: die Schilddrüse, ihre Zähne, das Gewicht, die Erschöpfung nach einer Operation.
    Helene Weigel hat die Trennungen von Brecht nicht gleichmütig hingenommen, aber sie hat sie auch nicht nach außen getragen. Ende März 1944 teilt Theodor W. Adorno seinen Eltern mit, Brecht habe seiner Frau während seiner viermonatigen Abwesenheit von Santa Monica nicht ein einziges Wort geschrieben. In diese Zeit fällt die wohl tiefste Krise des Paares in den USA . »Liebe Helli, es ist so schwierig zu schreiben, weil ich weiß, Du denkst es Dir nur einfach vergnüglich für mich hier«, gesteht Brecht im Januar 1944, um dann, wenn hier nicht Briefe fehlen, bis zu seiner Rückkehr zu schweigen. Damit das nicht noch einmal passiert, gibt Helene Weigel ihm bei einer der nächsten Reisen Umschläge mit, die sie bereits mit ihrer Adresse versehen hat. An Ernst Busch schreibt sie am 25. November 1946: »Brecht ist in New York, was von hier so weit ist wie von New York nach Berlin.« Kleine zärtliche Codes und Telefonate am Samstagabend sollten die Entfernung überbrücken. Was mal mehr, mal weniger gelang. »Dein Vater war ein sehr treuer Mann«, sagte Helene Weigel einmal ihrer Tochter Barbara, und sie ergänzte: »leider zu zu vielen«.
    Helene Weigel ist Brecht eine, mit Lion Feuchtwanger zu sprechen, »fanatische Helferin«, vertraut mit seinen Angelegenheiten, ganz auf der Höhe seiner Arbeit. Sie kennt sich in Brechts Papieren so aus, daß es nur wenige Stichworte braucht, ihr den Ort und die Spezifik eines Manuskripts zu bezeichnen. Ihr sind die Nöte von Brechts Produktionen im Detail bekannt und auch der prekäre Alltag eines Autors im Exil, der, von Mißgunst und Gleichgültigkeit umstellt, mit seinen Initiativen immer wieder ins Leere läuft. Sie kann ihn aufmuntern, weil sie sich nicht völlig seiner Arbeit hingibt. Sie weiß um seinen Wert, steht zu ihm und steht ihm bei, ohne sich dabei zu verlieren. »Fleißig wie ein Postbeamter« sei er gewesen, spottet sie nach seinem Tod liebevoll.
    Die Weigel hält die Freundschaften zusammen. Immer wieder lädt sie Freundinnen und Freunde nach Svendborg oder Santa Monica ein. Sie fragt Karl Korsch, wieviel Regalplatz man ihm, wenn er kommt, für seine Bücher freimachen soll; und am 28. Juni 1945 lockt sie ihn mit den Vorzügen des Gartens: »Hier gäbs ein gutes Zimmer, mit Feigenbaum davor, sie müßten nur aufs Dach klettern, aus dem Fenster ein Schritt, und die Feigen platschen Ihnen auf den Kopf.«
    Helene Weigel ist kommunikativ so versiert, daß Brecht sie um die Lösung manchen Konflikts bitten kann. Das zahlt sich vor allem in Kalifornien aus, als Charles Laughton unmittelbar vor der Galileo -Aufführung in einer divenhaften Geste das ganze Unternehmen gefährdet. Brecht baut auf ihre Fähigkeiten als Vermittlerin: Sie soll Laughton sagen, daß Brecht unter bestimmten Bedingungen mit fliegenden Fahnen zu ihm überginge, schreibt er ihr am 11. Februar 1946; »aber sage das nicht als zu politisch, intrigantenhaft«.
    Brecht wagt es, ihr seine Krisen zuzumuten: »Ich bin sehr grau, diese Stadt kann besonders scheußlich sein«, schreibt er Ende 1943, als er zum zweiten Mal von Santa Monica aus nach New York fährt. Und im Februar 1946 erzählt er ihr in einem bemerkenswerten Brief ausführlich von Ruth Berlau, die nach dem Tod des gemeinsamen Kindes einen Zusammenbruch hat. New York ist ein »veritables Inferno«, kommentiert er erschöpft.
    Brecht glaubt an Helene Weigel als Schauspielerin. »Sie ist gutartig, schroff, mutig und zuverlässig. Sie ist unbeliebt«, notiert er 1929 im Dialog über Schauspielkunst . Die lange erzwungene Auszeit kann sein Vertrauen in sie als Künstlerin nicht erschüttern. »Wird Dir auf diesem Planeten nicht leicht nachgespielt werden«, sagt er über ihre Berliner Darstellung der Pelagea Wlassowa, als er Die Mutter 1935 in New York inszeniert und die Besetzung der Hauptrolle furchtbar findet. Zur Premiere von Die Gewehre der Frau Carrar widmet er ihr das Gedicht Die Schauspielerin im Exil , mit dem Begriffspaar »kleine Gestalt / Große Kämpferin«. Nach der New Yorker Premiere der Duchess of Malfi telegrafiert Brecht, verstört über den Auftritt von Elisabeth Bergner, an seine Frau: » AS TO BERGNER I SAW WHAT AN ACTRESS YOU ARE «. Und als er hört, seine Tochter Hanne habe vom Ballett zum Schauspiel gewechselt und sei begabt und originell,
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