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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Berliner Gartenlokal. Sie leckt Blut dabei und wird plötzlich süchtig danach. Gitte-Motto: Ich will alles, und zwar jetzt! Läßt die Psychologie sausen und mich dazu und rennt zur Schauspielschule. Na, jedenfalls: Ende, bello, Abflug!»
    «Kinder?»
    «Keine.»
    «Und Sie alleine nach Bramme, alles an Verbindungen gekappt, was es da gegeben hat…?»
    «In Hannover, ja.»
    Mugalle sah ihn an. «Ah, Sie kommen also aus dem Land der niederen Sachsen?»
    «Nein, eigentlich aus Königs Wusterhausen, das liegt im Südosten Berlins, heute DDR.»
    «Sind wir ja fast Wiegennachbarn; ich komm nämlich aus Zeuthen, zwei S-Bahn-Stationen davor!»
    «Mensch, gibt’s denn so was!»
    Jetzt hatten sie ein Weilchen zu tun, bis die wichtigsten Kindheitserinnerungen ausgetauscht waren.
    «Alles unwiederbringlich dahin…» sagte Jossa. «Und jetzt sitz ich hier mutterseelenallein in Bramme herum…»
    Mugalle nickte. «Wie sagt der Philosoph: Du brauchst nicht mal eine Einzelzelle im Knast, um einsam zu sein.»
    «Nun ja: Wenn auch die ganze Republik ein einziger Knast sein soll, steht ja sogar schon hier in Bramme an den Wänden, dann ist es aber bei Ihnen in der Zelle doch noch ein wenig knastiger…» Jossa sah zum vergitterten Fenster hinauf.
    Das Unwetter war immer näher gekommen, die ersten Blitze huschten unscharf, eher noch ein Wetterleuchten, über den grauschwarzen Himmel, und es grummelte südlich überm Moor. Die Lampe an der Decke, zentral gesteuert, flammte auf.
    Mugalle drückte sich von der Bettkante hoch, griff sich die beiden Gläser mit dem Aufgesetzten vom Tisch und reichte Jossa eins hinüber. «Dann fangen Sie mal langsam an zu fragen… Auf ein gutes Interview! Daß es uns beiden was bringt: Ihnen ein gutes Zeilenhonorar und uns hier ein bißchen bessere Haftbedingungen. Prost!»
    «Auf Ihr Wohl!»
    Sie stießen an, und Jossa hatte Mühe, das mandelbittere Zeug hinunterzuschlucken, Mugalles «Ia-Orangenlikör mit Backpflaumenzusatz», wurde an eine Episode aus Richard Katz’ «Ein Bummel um die Welt» erinnert, Standardlektüre seiner frühen Jahre, wo der im Innern der Fidschi-Inseln, um den Häuptling nicht zu reizen, schalenweise Kava trinken mußte, ein bierähnliches Gesöff, entstanden dadurch, daß die Frauen die Wurzelfasern der Kava-Pflanze kauten, in eine Holzschüssel spuckten und dann gären ließen.
    Beim zweiten Schluck hatte Jossa gegen einen schier übermächtigen Brechreiz anzukämpfen, doch er schaffte ihn, wußte, daß es mit dem Tiefeninterview nichts würde, wenn er hier versagte, war auch in hohem Maße interessiert daran, den Menschen Mugalle näher kennenzulernen.
    «Na, bitte!» lachte Mugalle, der sein Glas mit vergleichsweise großem Genuß schnell ausgetrunken hatte, war schon faszinierend, wie er da agierte, fernöstlich gelassen, selbstironisch und cool. «Ritual überstanden; nun fragen Sie mal schön…»
    Jossa faßte in das linke obere Täschchen seiner Lederweste, zog einen silbern aufblitzenden Kugelschreiber heraus, suchte in seinem lieb-vertrauten Ringordner nach einer leeren Seite, rückte die Brille zurecht.
    «O verdammt!» sagte er zu Mugalle. «Ihr Aufgesetzter geht aber ganz schön ins Blut…!»
    «Alles nur Gewohnheitssache…»
    Jossa hatte Mühe, sich zu konzentrieren, fühlte sich komisch, schummrig im Kopf, ungemein schläfrig, schwebte dahin wie auf einem Sessellift, nein, saß in einem Kettenkarussell, wurde wild herumbewirbelt, hinüberkatapultiert in den Wagen einer Looping-Bahn, raste dahin, sich mehrmals überschlagend, wie letzten Sonntag im Heidepark, schoß aus seinem Fahrzeug heraus, schlug gegen einen stählernen Pfeiler. Crash und Explosion, und das Blut lief aus seinem Körper heraus wie die Cocabrühe aus einer zerborstenen Flasche.
    Mit dieser letzten Assoziation hatte er das Bewußtsein verloren.
    Carsten Corzelius an -ky
     
    Lieber -ky,
    seit einiger Zeit streiten wir uns ja sehr heftig über den vorliegenden Fall – und meiner Meinung nach hast Du Dich viel zu sehr auf den Jossa gestürzt, den Mugalle aber arg vernachlässigt. Das kannst Du doch Deinen sehr verehrten Lesern nicht antun! Meine Erkenntnisse, was Mugalles Motive und Aktionen betrifft, haben mich zu einer eigenen Version gebracht; was Du ja womöglich auch erhofft haben magst. Ich schreibe das mal alles nieder, und Du kannst es dann ganz nach dramaturgischem Kalkül in Deinen Roman einbauen (Mugalle frei in Bramme I bis IV).
    Herzlichst Dein C. C.

 
    Martin Mugalle frei in
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