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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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was rausgefunden haben?»
    «Nein, tut mir leid. Aber sagen Sie dem Großen Manitou doch bitte mal, wenn Sie ihn irgendwo erreichen können, daß ich mir unbedingt die Fan-Post der letzten Wochen ansehen möchte, was da so an… Mir das zuschicken also…!»
    «Okay, ja!»
    Was war passiert? Jossa hatte einen alten Freund, Ende Dreißig wie er, der als Rocksänger groß rauskommen wollte, sich der Große Manitou nannte und seine Musiker als Indianer verkleidet auftreten ließ. An der Biegung des Flusses war der Name der Gruppe, und kurz nach ihrem Auftritt in der Brammer Bürgermeister-Büssenschütt-Halle war ihr Schlagzeuger auf dem Parkplatz draußen durch einen Schuß aus einem Kleinkalibergewehr schwer verletzt worden.
    Catzoa referierte noch kurz ein paar inzwischen festgestellte Daten, dann eilte er zu seinem Wagen hinaus.
    Jossa hätte ihm gleich folgen sollen, weg von ihr, nur nicht der Versuchung erliegen, die Tür zum großen Hörsaal zu öffnen, doch eine ungeahnt starke Kraft zog ihn dorthin, überwand allen Widerstand. War es Neugierde, war es seine Lust am Provozieren, Neid nur oder auch die Hoffnung, mehr aus dem Leben zu machen, in höchste Höhen mitgerissen zu werden, in Bonn umschwärmter Pressesprecher zu werden? An der Seite jener Frau, die da gerade auf Einladung der Harm-Clüver-Gesellschaft einen Vortrag hielt, Frau Kultusminister Dr. Edelgard Klein, über «Wertewandel und neues Heimatgefühl».
    Jossa stieg zur Aula hinauf und preßte ein Ohr gegen die braun gebeizte Tür, hörte Gardys faszinierende Stimme, diese einmalige Mischung von Moderatorinnenkühle und naiv-sinnlichem Callgirl-Hauchen «Komm, ich will dich verwöhnen…!»
    «… Der Mensch wird», so hörte er, «zweimal geboren: einmal biologisch und zum zweiten sozio-kulturell. Und diese zweite, die sozio-kulturelle Geburt ist nicht möglich ohne ein Dorf, eine Stadt, einen Ort, wo man sich heimisch fühlen kann, Heimat eben, wo man seine Wurzeln hat…»
    Sollte er die Tür aufreißen? Oder nicht? Würde sie ihm zulächeln, oder würde sie mit einem Schwächeanfall abbrechen müssen?
    Schon hielt er die Klinke gepackt.
    Nein, nicht!
    Er riß sich los, strebte zum Ausgang…
    … und kam Sekunden später wieder zurück, lauschte erneut.
    «Wenn die psychoanalytischen Forschungen bei gestörten Familienverhältnissen und schlechten Heimen von einer maternal deprivation sprechen, den schlimmen Folgen von Mutterentbehrung bei Kindern, so sehe ich dies, das heißt, fehlende menschliche Wärme, hohe Aggressivität und drohende Verwahrlosung und Kriminalität, auch als Ergebnis von Heimatentbehrung. Doch Sie hier, meine verehrten Zuhörer, Sie hier in Bramme, Sie können sich glücklich schätzen, eine so vergleichsweise intakte Welt vorzufinden…»
    Da drückte Jossa die Klinke nach unten, zog die Tür mit einem Ruck nach außen, zeigte sich.
    Die Rednerin stutzte, als sie ihn erblickte, zuckte zusammen, kam nicht mehr weiter, starrte ihn an, griff zum Sprudelglas, mußte sich setzen.
    Hilfsbereite Hörer sprangen aufs Podium hinauf, und hundertsiebzig, hundertachtzig Gäste im Saal fuhren in Richtung Jossa herum, so daß er, nun seinerseits furchtbar erschrocken, die Tür nur noch zuknallen konnte, ohne Zögern ins Freie stürzte.
    Erst im Wagen draußen kam er wieder zu sich, fuhr mit viel zu hoher Geschwindigkeit in die Fährgasse nach Hause, mußte aus seinem Apartment noch die Unterlagen für den nächsten Interviewtermin holen, wollte auch schnell duschen und versuchen, Manitou ans Telefon zu kriegen, ehe der im Laster saß, um zur Tournee nach Bayern aufzubrechen.
    Es klappte, und Jossa konnte den Freund gerade eben noch im Berliner «Metropol» erwischen, wo er die Nummer «Geronimo» probte, den aggressiv-traurigen Song, voll im Trend und hitverdächtig, vom Apachen-Häuptling, der keine Chance mehr hatte und dennoch kämpfen wollte.
    «Hallo, Manni, Jens-O. hier! Ich rufe wegen Barry an…» Das war der Schlagzeuger, den sie in Bramme in den Kopf geschossen hatten.
    Doch Manitou hörte gar nicht hin, sang nur mit schleppender Stimme. «Ich seh euch Weiße und denke: Alles Scheiße!»
    «Mann, du wolltest doch endlich runter vom Koks!»
    «Aber, Mutter, der Mann mit dem Koks ist da…!» tönte es weiter. «Und außerdem bin ich nichts weiter als besoffen, du Arsch! Was is ‘n eigentlich?»
    «Wegen Barry, Mann!» schrie Jossa. «Ihr sollt mal die Fan-Post herschicken, ob da nicht ‘n Irrer bei ist, der euch schon lange
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